Nierenerkrankung unter Arbeitern:Nicaraguas mysteriöses Leiden

Die Arbeiter auf den Zuckerrohr-Plantagen Nicaraguas leiden auffallend häufig an einer chronischen Nierenerkrankung. Wissenschaftler prüfen eine ganze Reihe von Ursachen. Die Erklärung, zu der sie am ehesten neigen, ist zugleich die schockierendste.

Berit Uhlmann

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Sie arbeiten Tag für Tag in der sengenden Hitze. Je mehr Zuckerrohr sie schneiden, desto besser werden die Arbeiter auf den Plantagen im Westen Nicaraguas bezahlt. Doch die Folgen sind offenbar verheerend. Auffallend viele der Arbeiter leiden an chronischer Niereninsuffizienz. Das heißt: Ihre Nieren funktionieren immer schlechter, bis sie schließlich den Dienst versagen und keine Schadstoffe mehr aus dem Blut filtern.

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Aus insgesamt sechs lateinamerikanischen Ländern wurden steigende Raten der Nierenerkrankung gemeldet, in Nicaragua aber scheint die Lage am schlimmsten.

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Immer wieder müssen Familien, wie hier in Chichigalpa, ihre Männer und Väter beerdigen.

Wie viele Menschen schon erkrankt sind, ist schwer zu sagen. Verschiedene Erhebungen kamen auf einen Anteil zwischen acht und 13 Prozent der Bevölkerung. Diese Zahlen entsprechen denen der Industrienationen, wo das Nierenleiden ebenfalls auftritt - hervorgerufen vor allem durch die Wohlstandskrankheiten Diabetes und Bluthochdruck. 

Doch es scheint, als sind diese Zahlen nur ein Teil der Wahrheit. 

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Denn das Nierenleiden tritt offenbar an bestimmten Orten und bei bestimmten Menschen besonders häufig auf. Epidemiologen von der Boston School of Public Health zufolge ist die Erkrankung vor allem unter den Feldarbeitern der Zuckerrohrplantagen verbreitet. Unter ihnen erreichen die Erkrankungsraten 38 Prozent oder noch mehr.

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Anders als in den Industrienationen erkrankten vor allem Männer im jungen und mittleren Alter. Auch scheint die Krankheit nicht mit Bluthochdruck und Diabetes zusammenzuhängen.

Doch was löst sie dann aus?

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Die Menschen in den betroffenen Gebieten halten Agrarchemikalien für die Ursache. Es ist nicht ausgeschlossen, dass gesundheitsschädigende Pestizide und Herbizide auf den Feldern ausgebracht werden. Arbeiter wandten sich mit diesem Verdacht unter anderem an die Weltbank, die Zuckerrohr-Produzenten mit Krediten unterstützte. Eine Untersuchung wurde begonnen - und die These der Umweltgifte als eher unwahrscheinlich verworfen. Denn ...

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... das Nierenleiden kommt nicht nur bei Feldarbeitern vor. Auch Bauarbeiter und Minenarbeiter erkranken häufig.

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Eine andere mögliche Ursache sind Schmerzmittel. Man weiß, dass Wirkstoffe wie Ibuprofen und Diclofenac die Nieren schädigen können. Sie sind auch in Nicaragua weit verbreitet. Die körperliche Arbeit ist hart; dass den Arbeitern Muskeln, Gelenke oder verletztes Gewebe schmerzen und sie die Pein mit hohen Dosen von Medikamenten bekämpfen, ist nicht ganz unwahrscheinlich - allerdings auch nicht bewiesen.

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Auch Alkoholkonsum steht auf der Liste der möglichen Ursachen recht weit oben. Einige Studien haben gezeigt, dass vor allem diejenigen Männer erkranken, die viel trinken. Im Falle Nicaraguas kommt hinzu: Dort wird eine Art Rum konsumiert, der von einer Vielzahl von Kleinunternehmern abgefüllt und in Umlauf gebracht wird. Was genau in den Flaschen enthalten ist und wie es sich auf die Gesundheit auswirkt, ist kaum untersucht.

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Für die plausibelste These aber hält der Bostoner Wissenschaftler Daniel Brooks etwas anderes. Brooks leitet die Untersuchung im Auftrag der Weltbank. Noch ist sie nicht abgeschlossen, doch in der BBC präsentierte der Wissenschaftler bereits jetzt seine erschütternde These: Die Arbeiter schuften sich offenbar zu Tode.

Was all die erkrankten Männer von den Feldern, Minen und Baustellen gemeinsam haben, ist härteste Arbeit in starker Hitze, wobei sie wahrscheinlich nicht ausreichend trinken. Stress, Anstrengung und Flüssigkeitsmangel könnten möglicherweise die Niere Tag für Tag ein wenig mehr schädigen. Eine solche Entwicklung, so räumt Brooks ein, ist in der wissenschaftlichen Literatur allerdings noch nie beschrieben worden. Dennoch ...

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... hält Aurora Aragon, Ärztin in Nicaraguas Nationaler Universität in Leon diese Annahme für berechtigt. Die Arbeiter werden nach Leistung bezahlt. Je mehr sie schuften, desto mehr Geld haben sie für ihre Familien. Dies verführe die Menschen dazu, weit mehr zu arbeiten, als ihre Körper vertragen, mutmaßt die Medizinerin.

Noch allerdings ist unklar, ob diese, eine ganz andere Ursache oder eine Mischung verschiedener Faktoren verantwortlich für die Erkrankung ist. Sicher ist jedoch, wer einmal erkrankt, ...

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... dem bleibt kaum mehr als Gottvertrauen. Denn Dialyseeinrichtungen, die die Menschen am Leben halten könnten, gibt es in den Dörfern der kranken Arbeiter so gut wie nie. Und wenn, wären sie für die meisten unerschwinglich. Ein Arbeiter erzählt der BBC: "Wenn man das Gesundheitsministerium um Unterstützung fragt, sagen sie, dass sie kein Geld haben. Wenn man die Zucker-Produzenten fragt, sagen sie einfach 'Nein'."

© Süddeutsche.de/beu/holz
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