Neues Transplantationsgesetz:Jeder soll über seinen Tod nachdenken

Künftig soll sich jeder Deutsche regelmäßig fragen, ob er nach seinem Tod Organe oder Gewebe spenden will. Wie das neue Transplantationsgesetz funktioniert und welche Auswirkungen zu erwarten sind.

Berit Uhlmann

Seit dem 1. August 2012 gelten neue Regeln für Krankenhäuser und Versicherer. Nach dem geänderten Transplantationsgesetz müssen Krankenhäuser mit Intensivstationen Transplantationsbeauftragte bestellen, die die Organspende koordinieren. Lebendspender werden in Bezug auf Lohnfortzahlung, Krankengeld und Ansprüchen gegenüber der Unfallversicherung besser gestellt.

Organspendeausweis - Wie das neue Transplantationsgesetz funktioniert

Was im Organspendeausweis steht, gilt.

(Foto: dapd)

Am 1. November 2012 traten die Regelungen in Kraft, die potenziell jeden Deutschen betreffen. Nun fragen die gesetzlichen wie die privaten Krankenkassen alle Versicherten ab 16 Jahren regelmäßig schriftlich, ob sie nach ihrem Hirntod Organe spenden wollen. Die Empfänger der Briefe haben drei Möglichkeiten.

[] Sie entscheiden sich für die Spende: In dem Fall füllen Sie den beiliegenden Organspendeausweis aus. Sie können darin ihre Spendenbereitschaft verbindlich dokumentieren und wie bisher auch angeben, ob nur bestimmte Organe oder Gewebe entnommen oder von der Spende ausgeschlossen werden sollen.

[] Sie entscheiden sich gegen die Spende: Auch dies können sie auf dem Organspendeausweis vermerken. Alternativ können sie derartige Informationen auch in anderen Dokumenten wie einer Patientenverfügung vermerken oder ihrer Familie verbindlich mitteilen. Denn die Last der Entscheidung läge bei den Angehörigen, wenn Sie als Organspender in Frage kämen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Familien damit überfordert sind.

[] Sie können sich nicht entscheiden: In diesem Fall müssen sie nichts tun. Sie sollten sich aber klarmachen, dass sie im Ernstfall ihren Angehörigen die Entscheidung aufbürden. Eine Entscheidunghilfe bietet unter anderem das Organspende-Portal der AOK. Ein interaktives Tool hilft, das Für und Wider abzuwägen. Zudem können Fragen an Fachleute gestellt werden.

Egal, wie Sie sich entscheiden, es gibt keinen Zwang, die Schreiben der Kasse zu beantworten. Die Kernidee des neuen Gesetzes ist, die Deutschen durch "sanften Druck" dazu zu bringen, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Ob dieser Weg tatsächlich geeignet ist, wesentlich mehr Menschen zur Organspende zu animieren, ist fraglich.

Was das neue Gesetz bringen kann

In ersten Umfragen gaben zwei Drittel der Deutschen an, die Frage nach der Bereitschaft zur Organspende mit "Ja" beantworten zu wollen. Da in der Regel unverbindliche Absichtserklärungen leichter gegeben werden als definitive Zusagen, könnte die Rate tatsächlich jedoch niedriger ausfallen.

Derzeit liegt Deutschland bei der Zahl der Spenden im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Höhere Raten erzielen Länder wie Spanien, Belgien und Österreich, in denen es einen viel höheren Entscheidungsdruck gibt. Dort wird Jeder automatisch als Organspender betrachtet, sofern er nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat.

In insgesamt 16 west- und mitteleuropäischen Ländern gilt diese so genannte Widerspruchsregelung. In diesen Staaten kommen auf eine Million Einwohner durchschnittlich 21 Spender. In Deutschland dagegen liegt die Rate derzeit zwischen 14 und 16 Spendern pro einer Million Einwohner.

Derzeit warten etwa 12.000 Menschen in Deutschland auf eine Transplantation. Aber nur 1200 Menschen hinterlassen pro Jahr ein oder mehrere Organe. Im gleichen Zeitraum sterben 1000 Menschen während sie auf ein Spenderorgan warten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: