Neue Studie:Das Sexleben der Deutschen

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Wer mit wem? Wie oft und wann? Eine Studie hat das Liebesleben der Menschen in Deutschland untersucht.

(Foto: imago/Westend61)
  • Wissenschaftler haben die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Sexualverhalten ausgewertet.
  • Die Daten seien besonders für die Vorbeugung und Behandlung sexuell übertragbarer Erkrankungen von Interesse.
  • Mehr als 2500 Menschen im Alter zwischen 14 und 100 Jahren nahmen an der Erhebung zum Sexualverhalten teil.

Von Werner Bartens

Spätestens seit sich Alfred Kinsey von den Gallwespen ab- und den Menschen zuwandte und seine Erkenntnisse über das Sexualverhalten des Mannes (1948) und der Frau (1953) veröffentlichte, ist das Interesse an Berichten über das menschliche Intimverhalten ungebrochen.

Die meisten einschlägigen Erhebungen stammen allerdings von Partnerbörsen, Kondomherstellern oder aus Online-Befragungen und sind daher von zweifelhafter Seriosität. Derartige Daten sind meist verzerrt, weil dabei bevorzugt Vorlieben bekenntnisfreudiger junger Männer und Frauen aufscheinen - und nicht das Liebesleben des Durchschnitts.

Wie löblich, dass sich das Deutsche Ärzteblatt des Themas in der kommenden Woche annimmt und um wissenschaftliche Genauigkeit bemüht ist. Psychologen der Technischen Universität Braunschweig um Julia Haversath haben die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung ausgewertet und betonen, dass die Daten besonders für die Vorbeugung und Behandlung sexuell übertragbarer Erkrankungen von Interesse sind. Zwar bleiben die Neuinfektionen mit HIV, Chlamydien und Gonorrhö in Deutschland weitgehend konstant; die Syphilis-Fälle nehmen hingegen zu.

Mehr als 2500 Menschen im Alter zwischen 14 und 100 Jahren nahmen an der Erhebung zum Sexualverhalten teil. Ihre sexuelle Orientierung beschreiben 82 Prozent der Frauen und 86 Prozent der Männer als ausschließlich heterosexuell. Lediglich fünf Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen geben an, schon mal gleichgeschlechtliche Sexualkontakte erfahren zu haben.

Über Verhütung "keine Gedanken" gemacht

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer lebt in einer festen Partnerschaft. Von ihnen geben 76 Prozent an, nie Kondome innerhalb der Partnerschaft zu benutzen, zwölf Prozent manchmal. Unter den Frauen im gebärfähigen Alter verhüten 51 Prozent mit der Pille oder ähnlichen Mitteln, 17 Prozent mit anderen Methoden. Immerhin 27 Prozent geben an, sich über die Verhütung "keine Gedanken" zu machen. Fünf Prozent verhüten nicht, weil sie einen Kinderwunsch haben.

Wenig überraschend gehört Vaginalverkehr zum bevorzugten Sexualverhalten der Deutschen. Unter den Befragten haben 88 Prozent der Männer und 89 Prozent der Frauen entsprechende Erfahrungen gemacht. Oralsex als passiver Partner haben bereits 56 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen erlebt. Aktiven Analverkehr kennen 19 Prozent der Männer, passiven 17 Prozent der Frauen.

Aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen in Deutschland ist bekannt, dass 15 bis 26 Prozent der Frauen und 17 bis 32 Prozent der Männer "sexuelle Außenkontakte" während ihrer aktuellen Beziehung angeben. In Online-Befragungen ergibt sich hingegen die höhere Rate von 29 Prozent für Frauen und 49 Prozent für Männer, die trotz fester Beziehung nicht monogam sind, was die Forscher mit jüngeren, extrovertierten Teilnehmern in der Stichprobe begründen.

Männer mit "Außenkontakten" zu Prostituierten

In der aktuellen Studie geben 17 Prozent der Befragten an, jemals während einer festen Partnerschaft Sex mit einer anderen Person gehabt zu haben - 21 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen. Auf die aktuelle Partnerschaft bezogen berichten acht Prozent der Männer und sechs Prozent der Frauen von Seitensprüngen. Zusätzliche Erkenntnis: Acht Prozent der Männer hatten schon mal "Außenkontakte" mit Prostituierten.

Ob der Anteil der Affären und anderer Außenkontakte auf Einverständnis beruht oder der erlahmenden Lust in langjährigen Partnerschaften geschuldet ist, konnte die Studie nicht klären. Die Dauerfrage nach dem "wie oft" und "wie viele" liefert jedoch Ergebnisse, die ernüchternder sind, als es das Martin Luther zugeschriebene Diktum verheißt: "Die Woche zwier, der Weiber Gebühr, schadet weder mir noch dir, macht's Jahr einhundert und vier".

Selbst in der sexuell aktivsten Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen kommen Männer lediglich auf 60 und Frauen auf 47 Sexualkontakte im Jahr - und nicht auf 104. Im Alter zwischen 40 und 50 haben Männer im Durchschnitt 41-mal und Frauen 32-mal pro Jahr Vaginalverkehr. Zwischen 50 und 60 sinkt die Quote auf 34 (Männer) und 22 (Frauen) sexuelle Zusammenkünfte im Jahr. Bei den 60- bis 70-Jährigen wird der Sex noch seltener und mit 17-mal (Männer) und 14-mal (Frauen) jährlich notiert.

Welch' unwiderstehliche Verführer sie sind

Die Angaben über bisherige Sexualpartner ergeben typische geschlechtsspezifische Unterschiede. So berichten Frauen von sexuellen Erfahrungen mit im Mittel 5,46 Sexualpartnern - Männer geben hingegen im Durchschnitt 10,23 Sexualpartner über die Lebenszeit an. Zwar sollten diese Zahlen theoretisch näher aneinanderliegen, doch Männer müssen offenbar immer noch damit prahlen, welch' unwiderstehliche Verführer sie sind, während Frauen sich lieber als sittsam und schwer zu erobern darstellen. Als "selbstwertdienliche Verzerrungen und geschlechtsspezifisches Antwortverhalten" bezeichnen Haversath und ihre Mitarbeiter diesen bekannten Trend in allerschönster Wissenschaftsprosa.

Die größte Gefahr der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten geht offenbar von jenen 13 Prozent der Befragten aus, die von ungeschütztem Geschlechtsverkehr außerhalb der Partnerschaft berichten - von denen jedoch nur zwei Prozent beim partnerschaftlichen Sex immer Kondome benutzen. In dieser Risikogruppe kommen Männer auf durchschnittlich 38 und Frauen auf 17 Sexualpartner.

Ihnen empfehlen die Autoren regelmäßige sexualmedizinische Untersuchungen, was aber nur 25 Prozent der Betroffenen in Anspruch nehmen. Da Erhebungen zeigen, dass 80 Prozent der 18- bis 40-Jährigen vom Arzt noch nie umfassend nach ihrem Sexualverhalten gefragt wurden, sollte sich die Medizin dieses tabuisierten Themas stärker annehmen.

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