Neue Richtlinie für homosexuelle Männer:Blutspende bei Enthaltsamkeit

Blutspendeaktion

Blutspenden werden grundsätzlich immer auf Krankheitserreger getestet.

(Foto: dpa)
  • Die Bundesärztekammer präsentiert eine neue Richtlinie, die es Homosexuellen künftig erlaubt, Blut zu spenden.
  • Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, müssen demnach zwölf Monate enthaltsam sein, bevor sie Blut spenden dürfen.
  • Verbände kritisieren die neue Richtlinie als unzureichend. Der Zeitraum sei viel zu lang gewählt.

Von Antonie Rietzschel

Die Ferienzeit ist für das Deutsche Rote Kreuz eine kritische Phase. 15 000 Blutspenden werden in der Bundesrepublik täglich benötigt für Unfallopfer, Blutkranke oder Operationen. Doch während viele Deutsche in den Urlaub fahren, bleiben Spenderliegen leer, die Vorräte werden knapp. Deswegen muss das DRK selbst aktiv werden: Derzeit tourt das Blutspendemobil durch den Norden Deutschlands, mit Maskottchen "Tröpfli", einem plüschigen roten Tropfen mit Beinen. Die Menschen sollten die "freie Zeit für die gute Tat nutzen", so der Appell des Bayerischen Roten Kreuzes in Bayern.

Der Aufruf richtet sich längst nicht an jeden. Es gibt klare Vorgaben, wer überhaupt Blut spenden darf. Für heftige Diskussionen sorgte in der Vergangenheit das pauschale Verbot für Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Diese Regelung wird nun gelockert. Die Bundesärztekammer hat die entsprechende Richtlinie novelliert. Homosexuelle können damit theoretisch Blut spenden. Der Preis: Enthaltsamkeit.

Spender müssen vor der Blutentnahme einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen. Sie machen nicht nur Angaben zu ihrer Gesundheit, sondern auch zum Lebenswandel. Ob Sie sich in den vergangenen Wochen tätowieren ließen oder schon mal Drogen genommen haben. "Hatten Sie schon einmal Sexualverkehr mit einem anderen Mann?" Wer diese Frage als Mann mit ja beantwortete wurde bisher von der Blutspende ausgeschlossen.

Diskriminierung von Homosexuellen

Homosexuelle gelten bei der Blutspende als Risikogruppe. Die Gefahr der HIV-Infektionen liegt bei ihnen deutlich höher. 2200 von insgesamt 3222 Neuinfektionen im Jahr 2015 betrafen Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex hatten. Als sich in den Neunzigerjahren mehrere Tausend Menschen durch Bluttransfusionen mit dem HI-Virus infizierten, erfolgte per Gesetz ein Blutspendeverbot für etwaige Risikogruppen. Verbände sahen in der Regelung eine klare Diskriminierung von Homosexuellen. Nicht der gleichgeschlechtliche Sex an sich sei risikobehaftet, so die Argumentation. Entscheidend sei auch nicht unbedingt die individuelle Zahl von Sexualpartnern. Vielmehr gehe es darum, ob und wie man sich gegen Infektionskrankheiten schützt.

Mit fortschreitender Forschung und gesellschaftlicher Aufklärung über das HI-Virus wuchs auch unter Ärzten, Wissenschaftlern und Politikern das Unverständnis. Besonders die Grünen setzten sich in mehreren Bundesländern für eine Lockerung der Regelung ein. Auch auf Bundesebene war man sich einig, dass man nicht generell Personengruppen ausschließen könne. 2015 erklärte der Europäische Gerichtshof das Spendeverbot für zulässig, machte jedoch Einschränkungen. Ein generelles Verbot sei nicht rechtens, wenn es eine gute Alternative gäbe. Zum Beispiel wirksame Testmethoden für Blutspenden oder eine genaue Befragung des Spenders zu riskantem Sexualverhalten.

Der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versprach daraufhin die Überprüfung des Spenderverbots. Eine Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass zwölf Monate nach dem Sex kein erhöhtes Risiko mehr bestehe. Die Blutspende sei damit sicher. Außerdem seien die Forschungsmethoden sehr gut entwickelt, so dass Erreger zeitnah erkannt würden.

Drei Monate in Großbritannien

Der Deutschen Aids-Hilfe geht die neue Regelung nicht weit genug. Eine HIV-Infektion könne man heute nach sechs Wochen sicher ausschließen, sagt Sprecher Holger Wicht dem Berliner Tagesspiegel. "Diese Frist wäre nachvollziehbar - eine längere schließt viele Menschen weiterhin unnötig von der Blutspende aus." Dem Robert-Koch-Institut zufolge liegt der Diagnosezeitraum nach einer Ansteckung bei acht Wochen. Bei der Festlegung auf zwölf Monate hat sich Deutschland an anderen Ländern orientiert. Ähnliche Regelungen gibt es in den USA, in den Niederlanden und Schweden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Beispiele wie Großbritannien. Dort soll der Zeitraum 2018 auf drei Monate verkürzt werden.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert, dass sich die Richtlinie weiter auf Risikogruppen konzentriert statt auf Risikoverhalten. Männer, die beim Sex Kondome benutzen, hätten schließlich ein geringeres Übertragungsrisiko. Aus Sicht des LSVD sollte für diese Gruppe eine geringere Frist von vier Monaten gelten. Der Verband kommt zu dem Ergebnis, dass die Beteiligten den lebenslangen Ausschluss eigentlich aufrecht erhalten wollen. So heißt es in einer Erklärung: "Den Verfassern der Hämothopierichtlinie ist es natürlich klar, dass ein gesunder homosexueller Mann niemals ein Jahr lang zölibatär leben kann und wird, um dann endlich Blut spenden zu dürfen."

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