Depression:Durch Hoffnung zur Heilung

Sprechen Depressions-Patienten stark auf Placebos an, helfen ihnen auch echte Mittel besonders gut. Sollten Ärzte dann nicht gleich auf Scheinpräparate setzen?

Von Werner Bartens

Die Erwartungshaltung bestimmt den Erfolg. Immer wieder zeigt sich in der Medizin, dass die Wirksamkeit eines Medikaments auch davon abhängt, ob Patienten der Behandlung zuversichtlich oder skeptisch entgegensehen. Wer damit rechnet, dass die Therapie hilft, hat auch mehr Linderung zu erwarten. Ärzte aus den USA belegen das eindrucksvoll im Fachmagazin Jama Psychiatry (online) am Beispiel der Behandlung mit Antidepressiva.

Die Psychiater von der University of Michigan in Ann Arbor hatten Patienten mit einer unbehandelten Depression einer zweistufigen Therapie unterzogen. Ihnen wurde zugesichert, zunächst ein neues Mittel gegen die krankhafte Schwermut zu bekommen, bevor sie auf ein bewährtes Medikament umgestellt würden. Tatsächlich bekamen die Kranken als erstes Mittel ein Placebo. Wer auf das Scheinpräparat mit einer Linderung der Beschwerden reagierte, sprach nachfolgend auch auf das tatsächliche Medikament viel besser an. In Scanner-Aufnahmen des Gehirns zeigte sich, dass bei jenen Probanden, die auf beide Mittel gut reagierten, die Opioid-Rezeptoren stärker aktiviert waren, die sowohl bei der Gefühlsregulation als auch der Entstehung von Depressionen eine Rolle spielen.

Die Scheinmedikamente regen das körpereigene Opioid-System an

"Wir zeigen, wie das körpereigene Opioid-System an der Reaktion auf Antidepressiva wie auf Placebo beteiligt ist und mit der Linderung von Beschwerden zusammenhängt", sagt Marta Pecina, die Erstautorin der Studie. "Wenn man den Placebo-Effekt verstärkt, kann man damit vielleicht bessere Antidepressiva entwickeln."

Bei vielen Patienten bleiben Medikamente gegen Depressionen wirkungslos oder hinter den Erwartungen zurück. Zudem zeigen Placebo-Forschungen, dass eine Linderung durch Antidepressiva bei bis zu 40 Prozent der Betroffenen auf den Placebo-Effekt zurückgehen könnte. "Wenn sich 40 Prozent der Menschen mit einer chronischen Erkrankung auch ohne Medikament erholen, will ich wissen warum", sagt Jon-Kar Zubieta, ein Pionier der Placebo-Forschung. "Und wenn man auf das Mittel anspricht, aber die Hälfte der Wirkung auf dem Placebo-Effekt beruht, müssen wir den Unterschied zu denen herausfinden, die nicht reagieren."

Bei etlichen Patienten könne es daher hilfreich sein, wenn Psychotherapien Teil der Behandlung sind, um damit gleichsam nebenbei auch die Wirkung der Medikamente zu verbessern, vermutet Zubieta. In einem Kommentar betont der Harvard-Mediziner Maurizio Fava, dass die Erwartungshaltung zu "handfesten neurobiologischen Veränderungen im Gehirn führt". Da Studien gezeigt hätten, dass Placebo bis zu 80 Prozent der Wirkung von Antidepressiva erzielten, sollten Ärzte diskutieren, ob Scheinpräparate nicht öfter angebracht wären. Zudem ginge es darum, eine positive Erwartungshaltung bei Patienten zu aktivieren.

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