Medikamentenforschung:Forscher planen die Abschaffung des Alterns

Sie wollen nicht mehr mühselig Altersleiden bekämpfen. Sie wollen gegen den körperlichen Verschleiß in seiner Gänze vorgehen. Eine empörende Idee. Eine betörende zugleich.

Ein Kommentar von Kathrin Zinkant

Robbie Williams ist von ernsthaften Musikfreunden nie für voll genommen worden. Aber als der Sänger 23 Jahre alt war und auf dem besten Wege, dank illegaler Drogen, Suff und Kettenraucherei ziemlich jung zu sterben, sang er den schönen Song "Old before I die". Er wolle alt werden, bevor er stirbt.

Ganz hat er das noch nicht geschafft. Williams ist jetzt 41. Doch die Mehrheit der Menschen teilt seinen Wunsch - und hat deshalb nun ein anderes Problem. Weil die Leute tatsächlich immer älter werden, haben ihre Körper naturgemäß mehr Gelegenheit zum Verschleiß. "Altwerden macht krank", resümierte das britischen Magazin New Scientist zuletzt, und natürlich verlangt so ein fundamentales Problem nach einer durchdachten Lösung.

Die naheliegende, nämlich die Krankheiten des Alters zu bekämpfen, hat sich als mühselig erwiesen. Es sind einfach zu viele Leiden, die erst verstanden werden müssen, bevor man eine Behandlung suchen und sie ausprobieren kann. Und dann gibt es nicht mal eine nennenswerte Chance auf Erfolg.

In der Wissenschaft kapriziert sich eine Gruppe von Experten deshalb jetzt auf die andere Option: Nicht mehr die Folgen des Alterns wollen Forscher bekämpfen, sondern einfach das Altern selbst. Denn ein Körper, der langsamer altert, dessen Immunsystem weniger abbaut und dessen Gehirn nicht so schnell degeneriert, der bekommt auch später Krebs, Diabetes oder Alzheimer. So das schlichte Prinzip.

Die Pläne sind konkret

Erreicht werden soll das Ziel mit Medikamenten. Und erreichen will man auch, dass so eine medikamentöse Therapie des Alterns von den Zulassungsbehörden anerkannt wird. Die Pläne dafür sind konkret: In der kommenden Woche wollen sich Wissenschaftler in den USA in der Sache erstmals mit Vertretern der Arzneimittelbehörde FDA treffen, um Tame vorzustellen, eine Studie, in der gesunde ältere Menschen mithilfe eines konsequent eingenommenen Diabetesmittels vor künftigen Krankheiten geschützt werden sollen.

Wenn das klappt - die Studie hat noch nicht begonnen - wünschen sich die Forscher, dass die Therapie den Segen der FDA erhält. Mitarbeiter der Behörde sollen dem nicht abgeneigt sein. Zumal Tame nicht der einzige Vorstoß in diese Richtung ist. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hat der Pharmakonzern Novartis schon eine kleine Pilotstudie an Gesunden mit seinem Krebsmittel Everolimus abgeschlossen. Auch der dänische Diabetesriese Novo Nordisk schickt eine seiner Arzneien ins Rennen, die zugehörige Studie läuft.

Es ist klar, dass ein Erfolg dieser Projekte seinen Preis haben wird. Nebenwirkungen? Auf jeden Fall. Eine Pathologisierung des Alterns? Gewiss. Und am Ende profitiert auch noch Big Pharma. Die ganze Angelegenheit wird deshalb einige Empörung ernten und ist gewiss strikt abzulehnen. Oder doch nicht? Man muss eine Idee vielleicht nicht wegen ihrer Vollstrecker verteufeln. Denn alt werden will jeder. Krank nicht. Und es wäre doch fantastisch, das eine vom anderen zu trennen.

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