Medikamenten-Zulassung:Kontrolle in der Kritik

Etliche Medikamente wurden wegen gefälschter Zulassungsstudien vom Markt genommen. Die Bundesregierung schätzt die Kontrollen in dem Bereich dennoch als ausreichend ein. Dabei rücken die Prüfer kaum aus - nur jede hundertste Studie werde überhaupt untersucht, sagt ein Insider.

Von Katja Riedel

Es war ein Paukenschlag, mit dem die deutsche Arzneimittelbehörde Bfarm im Dezember Dutzende Medikamenten-Zulassungen entzog. Die Studien zur Wirksamkeit dieser Generika sollen mutmaßlich von einem Auftragsforschungsinstitut im indischen Hyderabad verfälscht worden sein. Darum handelten auch Behörden in Frankreich, Belgien, Luxemburg und Österreich sofort. An diesem Freitag wird der Gesundheitsausschuss der Europäischen Zulassungsbehörde EMA bekannt geben, welche Folgen der Fall GVK Bio für insgesamt mehr als 1200 in Europa zugelassene Medikamente haben wird.

Auf der deutschen Liste stehen derzeit noch etwa 50 Zulassungen, die ruhen, in manchen Fällen laufen juristische Auseinandersetzungen, die sich über Jahre hinziehen können. Wie viele weitere Arzneien in deutschen Apotheken von der EMA-Entscheidung betroffen sein könnten, ist noch völlig unklar. Im Mai 2014 hatten französische Inspektoren herausgefunden, dass bei GVK Bio identische EKGs verschiedenen Patienten zugeordnet worden seien. Die Firma bestreitet die Vorwürfe.

In dieser Woche hat sich die deutsche Bundesregierung zu dem Fall geäußert. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die SZ, WDR und NDR vorliegt, bezeichnet sie die von französischen Inspektoren gefundenen Verstöße gegen die gute klinische Praxis als "einen bislang seltenen Einzelfall". Dennoch zeige der Sachverhalt, dass "behördliche Inspektionen durch die EU-Mitgliedstaaten notwendig und wirksam sind, um Missstände aufzudecken".

"Notwendig" mag stimmen, aber sind sie auch wirksam? Tatsächlich schauen europäische Prüfer erstaunlich selten nach, was in den Prüfzentren passiert, sowohl in Europa als auch in Schwellenländern, in denen diese klinischen Studien immer häufiger stattfinden. Laut EMA sind europäische Inspektoren zwischen 2000 und 2012 insgesamt zu gerade einmal 398 Kontrollen ausgerückt, 2013 waren es 83 und damit sogar mehr als in den Vorjahren. Die internationalen Inspektionen übernehmen je zwei nationale Behörden gemeinsam. Kontrolleure des deutschen Bfarm waren an vier von 83 dieser Inspektionen beteiligt. Auf nationaler und internationaler Ebene hat das Bfarm in den letzten fünf Jahren zwischen elf und 20 Mal im Jahr Inspektoren ausgesendet. Dies sei "viel zu gering", sagt die Bundestagsabgeordnete Cordula Schulz-Asche (Grüne). Offen sei auch, mit welchen Ergebnissen die Inspektionen abgeschlossen würden und welche Konsequenzen sie hätten.

Gerade mal ein Prozent der Studien würden inspiziert, sagt Christian Steffen, bis 2010 Abteilungsleiter für Klinische Prüfung des Bfarm. Die Bundesregierung wolle das Problem dieser extrem seltenen Inspektionen augenscheinlich nicht angehen, kritisiert er. Besonders fälschungsanfällig seien Studien, welche die Gleichwertigkeit von Nachahmerprodukten zeigen sollten, die sogenannte Bioäquivalenz. Nicht nur in Indien, auch in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Staaten seien immer wieder vorsätzliche Manipulationen aufgefallen. Ein deutscher Internist habe Patienten erfunden und deren Unterschriften fingiert, er blieb straffrei, weil die Fälschung schon verjährt war. Ein anderer Arzt zerschnitt EKGs und ordnete sie verschiedenen Patienten zu. Obwohl seine Praxis in zwei Jahren an 50 Studien teilgenommen hatte, hatte keines der pharmazeutischen Unternehmen diese augenfälligen Tricksereien beanstandet. Der Arzt kam mit einer vergleichsweise geringen Geldstrafe davon - trotz der Millionenumsätze, welche die Studien seiner Praxis eingebracht haben dürften.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: