Medikamenten-Engpässe in Krankenhäusern:Pharmaindustrie gesteht Lieferprobleme

Tabletten

Lieferengpässe bei Medikamenten: Symbolbild

(Foto: edmsywsu1 / photocase.com)

Arzneimittelhersteller schlagen Alarm: Sie könnten Krankenhäuser nicht mit allen benötigten Medikamenten beliefern. Tatsächlich kommt es vor allem bei Krebsmedikamenten und Antibiotika zu Engpässen. Doch die Pharmalobby verfolgt mit ihrem selbstkritischen Weckruf auch eigene Interessen.

Engpässe in der Medikamenten-Versorgung: Die Arzneimittelhersteller schlagen Alarm. Sie haben nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, Krankenhäuser mit Arzneien zu beliefern. Das schreiben die Hersteller in einem Brief an Gesundheitspolitiker, aus dem die Frankfurter Rundschau zitiert. Das Bundesgesundheitsministerium hat laut FR nun wegen der Lieferprobleme Gespräche mit Apothekern und Ärzten aufgenommen.

Eine aktuelle Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft bestätigt die Aussagen der Arzneimittelhersteller: Bei einer Erhebung in 100 Kliniken hat die Gesellschaft festgestellt, dass in einem Monat 25 Arzneimittel gar nicht oder nur in zu geringen Mengen zur Verfügung standen. 25 Arzneimittel entsprechen vier bis sechs Prozent der insgesamt eingesetzten Medikamente, da jedes Krankenhaus ungefähr 400 bis 600 verschiedene Präparate führt. Die Untersuchung stützt sich auf die von den Kliniken und Klinikapotheken gemeldeten Engpässe.

Oft gibt es zwar Alternativmedikamente. Doch in zwanzig Prozent der gemeldeten Lieferausfälle entspricht dieses Alternativpräparat nicht der eigentlich verwendeten Arznei. Zum Beispiel beinhaltet das neue Medikament dann andere Wirkstoffe, was die Sicherheit der Therapie gefährden kann. Besonders häufig betroffen von den Lieferschwierigkeiten sind Arzneien zur Behandlung von Krebspatienten oder auch Antibiotika.

Die Engpässe führen laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht nur zur potentiellen Gefährdung der Patienten, sondern mehren auch den Organisationsaufwand und die Kosten für die Kliniken. Schließlich müssten die sich bei einem plötzlich auftretenden Versorgungsengpass schnell um die Alternativen kümmern - und in 80 Prozent der Fälle sind die Krankenhäuser vorab nicht über die Lieferschwierigkeiten informiert.

Pharmalobby beklagt Kostendruck

Als Ursache für die Engpässe nennen die Arzneimittelhersteller in ihrem Brief an die Politiker neben einer unerwartet hohen Nachfrage nach Medikamenten auch Qualitätsprobleme in der Produktion und eingeschränkte Kapazitäten. Hinzu komme ein "zunehmender Kostendruck im Arzneimittelbereich, der die Hersteller zur Nutzung aller Möglichkeiten der Effizienzsteigerung bei der Herstellung" zwinge. Dieser wiederum führe zur Konzentration auf wenige Hersteller und zur Produktion an preisgünstigen Standorten, vielfach außerhalb der Europäischen Union.

Der Gesundheitsökonom und Professor der Universität Bremer, Gerd Glaeske, übte scharfe Kritik an der Pharmaindustrie. "Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass ein Pharmaunternehmen nur mit Herstellungsbetrieben zusammenarbeitet, die auch zuverlässig liefern können", sagte Glaeske im Bayerischen Rundfunk. Zudem seien die Probleme nicht ganz neu. Bereits seit Jahren seien vor allem in den Kliniken Engpässe bei Arzneien fast an der Tagesordnung. Glaeske kritisierte zugleich die zunehmende Verlagerung der Medikamentenproduktion ins Ausland. "Die kostengünstigen Hersteller sind weit weg, das Just-in-Time-Prinzip funktioniert aber oft nicht, wenn die Herstellerbetriebe in China oder Indien sitzen."

Die Arzneimittelhersteller stehen einer gesetzlichen Pflicht ablehnend gegenüber, einen Vorrat für Medikamente anzulegen. Sollte eine Vorratshaltung verpflichtend vorgeschrieben werden, müssten die Hersteller möglicherweise auf die Zulassung für wenig rentable Arzneimittel komplett verzichten, droht die Pharmaindustrie in ihrem Brief an die Politik. Dadurch könne sich die Qualität der Versorgung verschlechtern.

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