Masern:In Deutschland wird zu spät geimpft

Impfen

Impfen ist unerlässlich (Archivbild von 2009)

(Foto: dpa)

Masern sind eine heimtückische Krankheit mit bisweilen tödlichem Ausgang. Doch viele, die ihre Kinder impfen lassen, tun das viel zu spät. Das zeigt eine neue Untersuchung der Kassenärztlichen Vereinigung. Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen gibt es großen Nachholbedarf.

Von Christina Berndt

In Deutschland wird nur etwa jedes dritte Kleinkind rechtzeitig und ausreichend gegen Masern geimpft. Das gaben Wissenschaftler der kassenärztlichen Vereinigungen am Mittwoch auf ihrer Plattform "Versorgungsatlas" bekannt und wiesen zugleich auf die "fatalen Folgen" der Impflücken hin.

Die Forscher hatten Daten aus Arztpraxen von mehr als 550.000 Kindern und damit 81 Prozent des Geburtsjahrgangs 2008 ausgewertet. Nur 37 Prozent dieser Kinder erhielten vor ihrem zweiten Geburtstag zwei Masern-Impfungen nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Am schlechtesten waren die Impfquoten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Bremen; dabei unterschieden sie sich auf regionaler Ebene auch innerhalb der Länder erheblich. In zwei dieser Bundesländer, Bayern und Berlin, hatte es zuletzt größere Masern-Ausbrüche mit zusammen 900 Betroffenen gegeben.

Von den geringen Impfquoten waren die Wissenschaftler selbst überrascht. Denn 2011 hatten 97 Prozent der Schulanfänger die erste und 92 Prozent auch die zweite Masern-Impfung erhalten, wie die Auswertung der Schuleingangsuntersuchungen durch das Robert-Koch-Institut ergab. "Offenbar wird bis zur Einschulung noch einiges aufgeholt", sagt die Leiterin der Versorgungsatlas-Studie, Maike Schulz.

Bis zu drei von tausend infizierten Kindern sterben

Gerade die Impflücken in jungen Jahren seien aber gefährlich, da Kleinkinder (ebenso wie Erwachsene) besonders anfällig für Komplikationen sind. Bis zu drei von tausend infizierten Kindern sterben an schweren Komplikationen wie Lungen- oder Hirnentzündung. So könnten Impflücken bei Kleinkindern "in Kindertagesstätten fatale Folgen haben, wenn die Infektion eingeschleppt wird", sagte die Versorgungsatlas-Leiterin Sandra Mangiapane.

Auch die tückische Spätkomplikation SSPE, eine Entzündung des gesamten Gehirns, trifft vor allem Kinder, die vor ihrem zweiten Lebensjahr erkrankt waren. Die SSPE tritt meist erst Jahre nach den Masern auf. Die Kinder leiden zunächst unter psychischen und geistigen Störungen, später auch unter Muskelkrämpfen. "Die SSPE endet im Wachkoma, in dem die Betroffenen nach Monaten oder Jahren versterben", sagt Benedikt Weißbrich von der Universität Würzburg.

Dass die SSPE erheblich häufiger auftritt als bislang gedacht, hat Weißbrichs Team soeben in der Fachzeitschrift Plos One berichtet. Demnach beträgt das Risiko für unter Fünfjährige 1 zu 3300. "Das ist dramatisch häufig bei einer so schwerwiegenden, immer tödlichen Komplikation", sagt Schulz.

Auch in den Jahrgängen nach 1970 gibt es erhebliche Impflücken

Das Bundesgesundheitsministerium ruft junge Erwachsene dazu auf, Kinder rechtzeitig impfen zu lassen - und den eigenen Impfstatus zu überprüfen. "Auch in den Jahrgängen nach 1970 gibt es erhebliche Impflücken", sagt ein Sprecher. Das Ministerium will mit Information bewirken, dass sich die Bevölkerung besser schützt. So erhalte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für nächstes Jahr drei statt bisher zwei Millionen Euro für eine Kampagne. Das Ministerium erwägt auch, den Impfstatus der Kinder künftig bereits beim Eintritt in den Kindergarten zu erfassen, damit Überraschungen wie die jetzige ausbleiben.

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