Malaria:Der Feind lernt dazu

Mücke beim Stich

Die Anopheles-Mücke überträgt die Malaria-Erreger. Diese werden zunehmend resistent.

(Foto: dpa)

In Südostasien dürfte sich bald entscheiden, ob einer der größten Killer der Menschheit in den Griff zu bekommen ist oder nicht. Dort entwickelt der Malaria-Erreger zunehmend Resistenzen gegen das wichtigste Medikament. Werden die resistenten Stämme nicht rasch bekämpft, droht ein Übergreifen nach Afrika.

Von Arne Perras, Min Saw

François Nosten erforscht die Geheimnisse des tödlichen Malaria-Erregers nun schon seit mehr als dreißig Jahren. Aber der Tropenmediziner ist immer noch nicht schlau aus ihm geworden. "Wir wissen viel zu wenig über den Parasiten. Wie er sich verändert. Wann er das tut und warum." Deshalb ist der Einzeller, der durch Moskitostiche übertragen wird, nur schwer zu besiegen. Malaria tötete im vorigen Jahr mehr als eine halbe Million Menschen, die meisten waren Kinder in Afrika.

Zwar hat es zuletzt auch ermutigende Meldungen gegeben. Die Zahl der Todesfälle ist vielerorts zurückgegangen. Manche Länder, zum Beispiel Vietnam, haben den Parasiten schon fast besiegt. Doch jetzt ziehen neue Gefahren auf. Spezialisten warnen, dass viele Fortschritte wieder zunichte gemacht werden könnten. Das Schreckgespenst der Anti-Malaria-Strategen heißt: Resistenz.

Wer diesem Feind auf die Spur kommen will, reist nicht nach Afrika, sondern nach Südostasien. Dort dürfte sich bald entscheiden, ob einer der größten Killer der Menschheit in den Griff zu bekommen ist oder nicht. Im Schatten der Ebola-Krise er-regt das Thema kaum Aufmerksamkeit. Doch das könnte sich rächen. Forscher Nosten und andere Experten befürchten, dass Millionen Menschen sterben werden, wenn es nicht gelingt, Resistenzen gegen das Malariamittel Artemisinin in Ländern rund um den Mekong zu bekämpfen.

Erkundungen in Min Saw, im äußersten Osten von Myanmar: Um von der Hauptstadt Yangon in dieses Dorf nahe der thailändischen Grenze zu gelangen, ist man fast zwei Tage unterwegs. Zuerst mit dem Auto, dann im Einbaum über einen schlammigen Fluss und schließlich auf dem Anhänger eines alten Traktors, der zwischen Reisfeldern entlangholpert.

Min Saw ist die Welt des Bauers Ka Nar Lar. An einem schwülen Nachmittag hat er unter dem Dach einer strohgedeckten Pfahlhütte Schatten gefunden und beginnt zu erzählen: Schon fünf oder sechs Mal hat ihn das Fieber so schwer erwischt, dass er Pillen gegen Malaria eingeworfen hat. Jedes Mal ist er bisher wieder auf die Beine gekommen. Nur dass es zuletzt doch länger gedauert hat als in früheren Jahren.

Diese Geschichte aus Min Saw klingt zu-nächst wenig bedrohlich. Der Bauer mit der breiten Zahnlücke sagt: "Ich fühle mich gut." Doch genau darin liegt die Tücke. Wenn Malaria im Blut nachgewiesen ist und sich die Behandlung länger als drei Tage hinzieht, gilt dies Medizinern als Indiz für Resistenzen. In diesen Fällen wirkt die derzeit wichtigste Waffe im Kampf gegen den Parasiten - Artemisinin - nicht mehr so schnell und gut wie früher.

Experten drängen zur Eile

Der Wirkstoff wird aus dem in China wachsenden Beifußgewächs Artemisia gewonnen. Ohne ihn hätten Millionen Menschen in Afrika kaum überlebt. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Wenn die Staaten nicht handeln, ist damit zu rechnen, dass die Resistenzen immer stärker werden, bis das Medikament gegen bestimmte Stämme gar nicht mehr zu gebrauchen ist. Schon gab es im Kampf gegen die Malaria herbe Rückschläge, weil der Einzeller Resistenzen gegen einzelne Wirkstoffe entwickelte.

Wie viel Zeit im Falle der Artemisinin-Resistenzen noch bleibt, weiß niemand. Doch Experten mahnen zur Eile. "Wir wollen keinesfalls erleben, dass Artemisinin-resistente Malaria über Indien bis nach Afrika springt," sagt der Epidemiologe Eisa Hamid, der für die Vereinten Nationen in Myanmar arbeitet. Was der Erreger in Afrika anrichtet, kennt er seit seiner Kindheit, der Mediziner stammt aus dem Sudan, wo die Malaria noch stärker wütet als in anderen afrikanischen Regionen.

Gefälschte und mangelhafte Medikamente bereiten Resistenzen den Weg

Es gibt viele Wege, die von Südostasien nach Afrika führen. Der Parasit kann im Blut eines Geschäftsreisenden den Indischen Ozean überqueren - oder er kann mit einem Blauhelmsoldaten reisen, der in einer UN-Friedensmission dient. Verbreiten sich resistente Stämme des Krankheitserregers Plasmodium falciparum über die Kontinente, dürfte dies erneut millionenfachen Tod in den Tropen bedeuten, solange keine neuen Medikamente verfügbar sind. Trotz der hohen Opferzahlen forscht die Pharmaindustrie über Malaria vergleichsweise wenig. Das große Geld ist in armen Ländern nicht zu verdienen. So dürfte es dauern, bis neu entwickelte Medikamente verfügbar sind.

207 Millionen

So viele Menschen erkrankten im Jahr 2012 an Malaria, 627 000 von ihnen starben daran. Damit rangiert das Tropenfieber in der Liste der tödlichen Krankheiten vor den Grippeviren, die zusammengenommen im Jahr weltweit bis zu 5 Millionen Menschen befallen und bis zu einer halben Million das Leben kosten. Beim Dengue-Fieber zählen Ärzte 100 Millionen Fälle pro Jahr; davon verlaufen 25 000 tödlich.

Wie aber lässt sich die Gefahr der Resistenzen eindämmen? Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose will das Problem grenzübergreifend angehen, er steckt 100 Millionen Dollar in ein Gesundheitsprogramm, das neben Myanmar auch Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam erfasst. In jedem dieser Länder wurden Indizien für Artemisinin-Resistenzen entdeckt.

Aber es sind schwierige Fronten, gerade weil es so viele Geschichten wie die des Reisbauers Ka Lar Nar gibt. "Hier wird nicht mehr in Massen gestorben", sagt der Franzose Nosten, der auf der thailändischen Seite der Grenze arbeitet. "Es ist schwer zu vermitteln, dass gerade dort eine globale Gefahr drohen soll, wo die Zahl der Malariatoten so stark zurückgegangen ist."

Wie die Resistenzen genau entstehen, ist laut Nosten noch nicht ausreichend erforscht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt verschiedene Faktoren, dazu gehören eine falsche oder unzureichende Einnahme der Medikamente sowie gefälschte oder mangelhafte Präparate, die auf den Markt gelangen. Sie enthalten oft zu wenig Wirkstoff und tragen dazu bei, dass sich der Parasit gegen künftige medizinische Attacken besser wappnen kann.

Um möglichst sicherzugehen, dass ein Medikament alle Parasiten im Blut abtötet, kombiniert man Artemisinin mit einem weiteren Malariawirkstoff. Der erste tötet viele Einzeller in kurzer Zeit. Was dann noch übrig bleibt, wird vom zweiten Mittel erledigt. Diese sogenannte Kombitherapie sollte immer eingehalten werden, aber das ist nicht der Fall. Monotherapien, die nur einen Wirkstoff enthalten, sind in Asien noch verbreitet. Und die Folgen bleiben nicht aus. "Artemisinin ist nicht mehr so wirksam wie in den Neunzigerjahren", beobachtet Nosten. "Heute dauert es manchmal bis zu sechs Tage, bis unter dem Mikroskop keine Parasiten mehr zu finden sind. Sie haben sich verändert."

Dennoch kommen Patienten mit der Kombitherapie immer noch auf die Beine. So fällt es Experten schwer, die Dimension der Gefahr zu vermitteln. Es liegen eben keine sterbenden Menschen auf den Straßen, deren Bilder vom Unheil künden.

Gesundheitsdienste planen "Flächenbombardement"

In Myanmar ist alles noch ein wenig komplizierter, weil es neben dem Kampf gegen die Malaria noch andere Fronten gibt. Das Dorf Min Saw liegt in Kayin State, wo ethnische Minderheiten wie die Karen jahrzehntelang gegen die Armee der herrschenden Junta kämpften. Die Eindämmung der Malaria hatte keinen Vorrang. Inzwischen herrscht eine Waffenruhe, was die Lage verändert. Aber es ist immer noch schwer für die Gesundheitsdienste, alle Dörfer und Menschen zu erreichen, die oft mehrere Tage Fußmarsch vom nächsten größeren Ort entfernt liegen.

Außerdem suchen in diesen Gegenden Wanderarbeiter ihr Glück, sie überschreiten Grenzen, sie schuften wochenlang in abgelegenen Wäldern oder Plantagen, um Holz zu schlagen. Sie in die Anti-Malaria-Pläne einzubeziehen, ist aufwendig. Aber vielleicht bietet ja gerade der gemeinsame Kampf gegen die Krankheit auch eine Möglichkeit, Vertrauen zwischen der Zentralregierung in Yangon und den ethnischen Minderheiten im Osten zu schaffen. Darauf jedenfalls hofft Ed Marta, Arzt und Gesundheitsbeauftragter der "Karen National Union". Deren bewaffneter Arm be-kämpfte lange die Junta. "Wir konnten früher nicht miteinander reden, wir waren Feinde. Wir haben uns gegenseitig getötet", sagt der 70-Jährige, der zur Minderheit der Karen gehört.

Marta kehrte erst kürzlich aus dem Exil in den USA in seine Heimat zurück. Myanmar hat sich geöffnet und Reformen angeschoben. "Jetzt haben wir eine Chance zu kooperieren," sagt der Arzt. Und das müssen beide Seiten auch, um sich gegen die resistente Malaria zu wappnen. Der Gesund-heitsdirektor des Staates Kayin, Aung Kyaw Htwe, sagt, dass sie nun auch das Problem mit den Monotherapien und mangelhaften Medikamenten angehen. Der Staat will den Markt stärker kontrollieren, internationale Helfer arbeiten daran, Kombitherapien bis in die entlegenen Dörfer zu bringen und mangelhafte Ware gezielt zu verdrängen.

Daten über das Ausmaß der Malaria und mögliche Resistenzen zu sammeln, ist in diesen Gegenden besonders mühsam. Dennoch gilt Malariaexperten gerade der Osten Myanmars als wichtige Front, um der Ausbreitung von Resistenzen entge-genzuwirken. Der Globale Fonds setzt auf ein wachsendes Netz aus geschulten Frei-willigen, die Schnelltests an Patienten durchführen, Moskitonetze verteilen und die richtigen Therapien verordnen. Aber das alleine dürfte kaum reichen, deshalb werden auch andere Methoden getestet.

"Flächenbombardement" nennt das der Mediziner Attila Molnar, der für die Vereinten Nationen arbeitet und einen Teil des Anti-Resistenz-Programms umsetzt. Dass der Ungar einen kämpferischen Vornamen besitzt, passt zur Aufgabe. Ziel ist es, die resistenten Malariaparasiten, wo sie entdeckt werden, möglichst komplett zu eliminieren. Dafür sollen nun in Pilotprojekten nicht nur einzelne Erkrankte, sondern möglichst alle Dorfbewohner, ob krank oder gesund, Malariamedikamente einnehmen. So können die Mediziner Plasmodium falciparum auf ganzer Front attackieren, solange die Mittel gegen den Parasiten noch wirken. "Wenn er erst einmal komplett resistent ist, haben wir den Krieg verloren", sagt der Ungar.

Die Regierung von Myanmar hat für diesen Plan bereits eine "ethische Genehmigung" erteilt, dennoch ist es nötig, dass jeder Einzelne der Einnahme auch zustimmt. Ob dieser Schritt gelingt, weiß derzeit niemand. "Aber wir haben keine Alternative", sagt Tropenmediziner Nosten. "Nichtstun ist die schlechteste Variante."

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