Langlebigkeit:Wie alt kann der Mensch werden?

Emma Morano

Emma Morano gehörte zu den langlebigsten Menschen der Welt. Sie starb im Frühjahr mit 117 Jahren. Das Foto zeigt sie ein Jahr vor ihrem Tod.

(Foto: KARSTEN THORMAEHLEN)

Einige Wissenschaftler vermuten, dass die Grenze bei 115 Jahren liegt. Allerdings spricht die Tendenz der vergangenen Jahrzehnte dafür, dass viel längere Leben möglich sind.

Von Werner Bartens

Es ist eine alte Frage, aber von praktischer Bedeutung ist sie nur für die ganz Alten: Welche Lebensspanne kann der Mensch erreichen, welche Altersrekorde sind noch möglich? Seit Jeanne Calment aus Arles im August 1997 starb, hat niemand mehr die 122 Jahre und 164 Tage übertroffen, die der Französin auf Erden vergönnt waren. Forscher vom Albert Einstein College in New York hatten daraus im vergangenen Jahr den Schluss gezogen und berechnet, dass Calment in dieser Hinsicht eine Ausnahme darstellte und ansonsten spätestens mit 115 Jahren Schluss sei.

Gegen diese Behauptung legen gleich mehrere Wissenschaftler Widerspruch im Fachmagazin Nature (online) ein. Sie kritisieren vor allem, dass die New Yorker Forscher um Xiao Dong die Daten von "Superalten" aus den vergangenen 50 Jahren willkürlich im Jahr 1995 unterbrochen und für die Zeit von 1968 bis 1994 einen kontinuierlichen Anstieg der Altersrekorde berechnet hätten - seit 1995 jedoch den gegenläufigen Trend. Am Beispiel der Entwicklung der Rekorde im Weitsprung zeigen Altersforscher aus Kopenhagen, dass man mit dieser Methode - und der willkürlichen Aufteilung in den Zeitraum vor und nach 1990 - auch eine Stagnation der Bestweiten ermitteln kann. Oder eben einen ununterbrochenen Aufwärtstrend.

Eine heute 72-Jährige wird vermutlich im Jahr 2070 ihren 125. Geburtstag feiern können

Dong und seine Kollegen verteidigen ihre Berechnung unter anderem mit dem Hinweis, dass ja nun seit 20 Jahren nachweislich niemand älter geworden ist als Jeanne Calment, die in ihrer Jugend Vincent van Gogh kennenlernte und sich erst mit 117 das Rauchen abgewöhnte, weil sie nichts mehr sehen konnte und Sorge hatte, ihre Wohnung anzuzünden. "Wir wissen schlicht nicht, wo die Altersgrenze für Menschen liegt", sagt Altersforscher Siegfried Hekimi von der McGill-Universität in Montreal. "Wenn sich der Trend fortsetzt, könnte sich sowohl die maximale als auch die durchschnittliche Lebenserwartung noch erheblich steigern."

Geht die Entwicklung der vergangenen 50 Jahre so weiter, würde die Anzahl der Hundertjährigen von 56 000 im Jahr 2015 auf 750 000 im Jahr 2050 steigen. Und eine unter 840 000 Frauen, die 2015 das Alter von 70 Jahren erreicht hat, würde das Jahr 2070 erleben und damit 125 werden. "Aus heutiger Sicht ist das zwar schwer vorstellbar", weiß Hekimi. "Aber Menschen vor 300 Jahren mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von unter 40 hätten uns auch für verrückt erklärt, hätte man ihnen gesagt, dass viele Menschen heute 100 Jahre alt werden."

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