Kreislauf:Blutdruck sollte an beiden Armen gemessen werden

"Jetzt messen wir noch schnell den Blutdruck" - und schon pumpt der Arzt die Manschette am linken Arm auf. Experten fordern dagegen, den Druck an beiden Armen gleichzeitig zu registrieren - und haben gute Gründe dafür.

Christina Berndt

Der Blutdruck war beim letzten Praxisbesuch in Ordnung? Wer einer solchen Botschaft seines Hausarztes vertraut, wiegt sich womöglich in falscher Sicherheit. Denn der Arzt hat sehr wahrscheinlich nicht getan, was er tun müsste, um einen verlässlichen Eindruck vom Blutdruck seines Patienten zu bekommen. Er müsste nämlich an beiden Armen messen, mit welchem Druck der Lebenssaft durch die Adern schießt. Durch Messung an nur einem Arm würden Ärzte zahlreiche Hochdruckpatienten nicht erkennen, warnen Allgemeinmediziner von der britischen Universität Exeter jetzt im Fachblatt Lancet (online).

Blutdruck-Messung - für Hypertonie gelten neue Grenzwerte

Auf einer Seite reicht nicht: Nur wenn an beiden Armen Blutdruck gemessen wird, gibt es verlässliche Daten. 

(Foto: Jochen Lübke/dpa)

Das Team um Christopher Clark hat 28 ältere Studien neu ausgewertet und kommt dabei noch zu einem weiteren Ergebnis: Wenn sich die Drücke in den beiden Armen deutlich unterscheiden, ist dies ein starker Hinweis auf verkalkte Blutgefäße. Dies müsse unbedingt durch weitere und speziellere Messungen abgeklärt werden, weil die Betroffenen sonst einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und einen frühen Tod ins Auge blicken. Die beidseitige Blutdruckmessung solle endlich zur Routine in Arztpraxen werden, fordert das Team um Clark. Die Messung müsse aber gleichzeitig und nicht etwa nacheinander erfolgen, damit die Werte miteinander verglichen werden können.

Schon wenn sich der höhere Blutdruckwert im rechten und im linken Arm um mehr als zehn Millimeter-Quecksilbersäule (mmHg) unterscheidet, sei Vorsicht geboten, warnen sie. Womöglich leidet der Patient dann unter der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), die in Deutschland nach Angaben der Gesellschaft für Gefäßmedizin mehr als 4,5 Millionen Menschen haben und an deren Folgen drei Viertel der Betroffenen sterben.

Bei der pAVK sind die Arterien, die das Blut in Beine und Füße tragen, verengt. Zunächst merken Patienten davon nichts, doch im fortgeschrittenen Stadium macht sich das Leiden als "Schaufensterkrankheit" bemerkbar: Weil die Betroffenen beim Gehen Schmerzen haben, legen sie immer wieder Pausen ein, die sie etwa mit dem Betrachten der Auslagen von Geschäften überbrücken. Wird die pAVK frühzeitig erkannt, kann dies dem Patienten viele Jahre schenken, wenn er etwa mit dem Rauchen aufhört oder Pillen gegen zu hohen Blutdruck nimmt.

"Der Druck muss an beiden Armen gemessen werden - und der höhere Wert gilt", betont auch Curt Diehm, Mitautor der aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der pAVK und Chefarzt Innere Medizin am Klinikum Karlsbad-Langensteinbach. "Und noch eine Faustregel hat Gültigkeit: Je höher der zwischen beiden Armen gemessene Druckunterschied ist, desto schneller ist der Patient tot." Die beidseitige Blutdruckmessung werde Ärzten deshalb auch in den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga und in verschiedenen europäischen Empfehlungen angeraten. Trotzdem ignorierten die meisten Mediziner dies. "Viele sagen sogar, sie messen links, weil der herznahe Arm mehr Aussagekraft habe", ergänzt Diehm. Das aber sei "ein absoluter Quatsch".

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