Reformpläne:Tausende Ärzte und Pfleger protestieren

  • Tausende Ärzte und Pfleger wollen gegen die geplante Krankenhausreform protestieren.
  • Obwohl die Kliniken mehr Geld bekommen sollen, befürchten Mitarbeiter Kürzungen. Im Zuge der Reform sollen einige Krankenhäuser geschlossen werden.

Von Guido Bohsem, Berlin

10 000 in Berlin erwartet

So an die 10 000 sollen kommen, und zwar aus ganz Deutschland. Ärzte und Pfleger und Verwaltungsmitarbeiter wollen an diesem Mittwoch vor dem Brandenburger Tor in Berlin protestieren. Nicht nur in der Hauptstadt, in der ganzen Republik sind Aktionen geplant, mehr als 60 soll es in Bayern geben. In 100 Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen wollen die Beschäftigten ihre Mittagspause für Kundgebungen nutzen. "Krankenhausreform? So nicht", lautet das Motto des Protesttages. Die Mitarbeiter der etwa 2000 Krankenhäuser wehren sich gegen die wohl größte gesundheitspolitische Reform dieser Legislaturperiode. Sie protestieren gegen die Ideen der großen Koalition, die mehr Qualität und einen Abbau der Kapazitäten vorsehen.

Der Widerstand verblüfft, wo doch die Kliniken durch die Reform mehr Geld haben werden als vorher. In den kommenden vier Jahren sollen die Krankenhäuser mehr als 2,2 Milliarden Euro zusätzlich erhalten, rechnen die Krankenkassen vor. Von Kürzungen könne gar keine Rede sein.

Georg Baum widerspricht, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht das ganz anders. Die Krankenhäuser profitierten nicht von der Reform, sondern würden am Ende sogar schlechter gestellt als vorher. Im Jahr 2017 würden die Mittel der Kliniken sogar um 500 Millionen Euro gekürzt. Nach Meinung der DKG will die Koalition so viele Krankenhäuser wie möglich schließen und mit allen verfügbaren Mitteln verhindern, dass sie weitere Leistungen erbringen. Ohne grundlegende Änderung könne die Reform weder bei den Trägern der Kliniken noch bei den 1,2 Millionen Mitarbeitern Akzeptanz finden.

Mehr Geld oder weniger? Die Folgen der neuen Regelungen sind umstritten

Tatsächlich zielt ein Teil der Reform darauf ab, die Zahl der Kliniken oder zumindest der Abteilungen in Deutschland zu senken. Die Zahl der Krankenhäuser pro Einwohner ist hierzulande beispielsweise deutlich höher als in den Niederlanden. Der Bereich ist zudem nicht nur der größte Kostenblock bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die Ausgaben steigen auch dynamisch an. Flossen 2010 noch 58 Milliarden Euro an die Kliniken, waren es im vergangenen Jahr schon 67,8 Milliarden Euro.

Abwrackfonds für Kliniken

Um die Zahl der Krankenhäuser zu verringern, plant die Koalition nun eine Art Abwrackfonds. 500 Millionen Euro sollen aus dem Gesundheitsfonds bereitgestellt werden. Will ein Land nun ein Krankenhaus schließen oder zum Beispiel in ein Pflegeheim umwandeln, kann es aus diesem Topf die nötigen Mittel beantragen. Voraussetzung ist, dass es und die Krankenhausträger sich mit einem Betrag in gleicher Höhe beteiligen. In der Vergangenheit ist es kaum zu Schließungen gekommen, auch weil das sehr teuer ist. Als Faustformel kann man sagen, dass die Schließung einer Klinik ebenso viel Geld verschlingt wie das Budget eines Jahres.

Nach dem Willen der Koalition soll auch eine zweite große Veränderung auf die Kliniken zukommen. Künftig sollen sie anhand der Qualität bezahlt werden, die sie abliefern. Das heißt, es soll Zuschläge geben, wenn Abteilungen besonders gute Leistungen erbringen, sprich, wenig Komplikationen, wenig Nachbehandlungen und dergleichen.

Reformpläne - Das Krankenhaus-Konstrukt

Wie hat sich die Anzahl der Kliniken in Deutschland entwickelt? Gibt es genug Ärzte und Pfleger? Diese Grafiken geben Antworten.

Abschläge für schlechte Leistung

Liefern Kliniken besonders schlechte Leistungen ab, so soll es dafür Abschläge geben. Zudem will die Koalition sogenannte Mindestmengen einführen. Das heißt, bestimmte Operationen sollen künftig nur in Kliniken möglich sein, wenn diese dort ohnehin schon in ausreichender Zahl vorgenommen werden. Dahinter steckt der Gedanke, dass Übung den Meister macht und es nicht das Gleiche ist, ob ein Arzt eine Operation einmal im halben Jahr unternimmt oder einmal am Tag.

Die Qualität der Behandlung soll auch mit zusätzlichen Pflegekräften verbessert werden. Schließlich haben die Kliniken in den vergangenen zehn Jahren zwar sehr viele zusätzliche Ärzte eingestellt, das Pflegepersonal an den Betten auf der Station aber deutlich abgebaut. Der ursprüngliche Plan der Koalition sah vor, dafür im nächsten Jahr 100 und von 2018 an pro Jahr 300 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Kosten für Personal müssen ausgewiesen werden

Angesichts der Proteste der Krankenhäuser soll dieses Programm aber nun aufgestockt werden. Darauf haben sich die beiden Gesundheitsexperten der Union und der SPD, Georg Nüßlein und Karl Lauterbach verständigt. Der bisher zusätzlich gezahlte Versorgungszuschlag von 500 Millionen Euro soll in einen Zuschlag für nicht-medizinisches Pflegepersonal verwandelt werden.

Um sicherzustellen, dass das Geld tatsächlich auch für zusätzliches Personal verwendet wird, sollen die Krankenhäuser verpflichtet werden, ihre jährlichen Kosten für das Pflegepersonal explizit auszuweisen. Personalintensive Kliniken erhalten dadurch mehr Geld. Wer hingegen Personal abbaut, würde bestraft.

Die Koalition stockt damit die Zahlungen für die Kliniken noch einmal kräftig auf. Sehr zum Verdruss der Kassen. Diese glauben nicht, dass der Personalaufbau langfristig sein wird. Als das letzte Programm dieser Art auslief, verringerten die Kliniken umgehend ihr Personal.

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