Kognition:"Über die intellektuelle Leistungsfähigkeit des US-Präsidenten sagt das nichts"

US President Donald Trump speaks at the MCCA Winter Conference

"Geistig sehr klar" sei US-Präsident Donald Trump, erklärte sein Arzt Ronny Jackson.

(Foto: Saul Loeb/AFP; Bearbeitung SZ)

Donald Trump hat sich einem kognitiven Test unterzogen, der in seinem Fall unsinnig ist. Die Untersuchung lässt völlig außer Acht, wie intelligent und gebildet ein Mensch ist.

Von Astrid Viciano

Ein Nashorn also. Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, kann ein gezeichnetes Nashorn auf einem Blatt Papier erkennen. Und nicht nur das. Der Mann, der kürzlich mit dem größten Nuklearknopf der Welt prahlte, kann auch ein Kamel identifizieren und das aktuelle Datum benennen. Mit Erfolg hat der 71-Jährige einen Test zur Messung kognitiver Fähigkeiten bestanden. Es gebe "kein Anzeichen, dass er irgendein kognitives Problem hat", erklärte der Militärarzt des Weißen Hauses, Ronny Jackson. Im Gegenteil: Trump sei "geistig sehr klar".

Auf Wunsch des Präsidenten hatte Jackson ihn untersucht. Endlich einmal wollte sich Trump offen geben und sein Innerstes offenbaren, jedenfalls den Zustand seiner Organe, vor allem seines Denkorgans. Ein und für alle Mal sollten die Gerüchte verstummen, die seinen geistigen Zustand als wenig präsidial beschrieben. Doch statt der erhofften Begeisterung erntet der US-Präsident seit der Bekanntgabe seiner medizinischen und geistigen Fitness bestenfalls ungläubiges Schweigen.

Was ist passiert? Trump hat sich im Rahmen seiner Untersuchung auch dem Montreal Cognitive Assessment, kurz Moca unterzogen, der kognitive Einschränkungen bis hin zur Demenz aufspüren soll. Der auch in Deutschland zunehmend verbreitete Fragebogen gilt als zuverlässig und soll im Gegensatz zu anderen Kognitionstests besonders früh geistige Einschränkungen aufdecken. Der Test dauert rund zehn Minuten, ab einem Ergebnis von 26 von maximal 30 Punkten gilt die geistige Leistungsfähigkeit als nicht eingeschränkt.

Die Aufgaben: Tiere benennen, Sätze nachsprechen, eine Uhr zeichnen

Trump hat den Test mit voller Punktzahl bestanden. Einen Punkt bekam er für das richtige Benennen des besagten Nashorns, noch einen für Löwe sowie Kamel oder Dromedar. Einen Punkt dafür, einen Satz korrekt nachzusprechen. Wiederum einen Punkt dafür, das exakte Datum und den genauen Ort, an dem er sich befand, zu benennen. Gleich drei Punkte gab es für das Zeichnen einer Uhr, auf der die Zeiger zehn nach elf anzeigen.

Einen weiteren Punkt, weil er folgende Zahlenreihe aus dem Gedächtnis rückwärts aufsagen konnte: 742.

Militärarzt Jackson äußerte sich lobend. Der Konteradmiral bescheinigte Trump daraufhin nicht nur ein normales intellektuelles Leistungsvermögen. Trump sei geistig "sehr klar", so die Schlussfolgerung Jacksons. Bezogen auf physische Fitness wäre das ein wenig so, als würde ein Patient, der beim Laufen keine großen Probleme hat, automatisch für außergewöhnlich sportlich gehalten.

"Über die intellektuelle Leistungsfähigkeit des US-Präsidenten sagt das gar nichts", sagt Andreas Fellgiebel, wissenschaftlicher Leiter der Gedächtnisambulanz der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Im Gegenteil: Überdurchschnittlich intelligente Menschen wie Trump könnten Moca problemlos bestehen und dennoch intellektuell eingeschränkt sein.

Der Test lässt völlig außer Acht, wie intelligent und wie gebildet ein Mensch ist. Egal, ob sich der Hochschulprofessor oder der Sonderschüler der Untersuchung unterzieht, sie werden alle nach den gleichen Kriterien beurteilt. "Das kann nicht funktionieren", sagt Fellgiebel.

Daher werden Kognitionstests in Kliniken üblicherweise an die Intelligenz und Vorbildung der Testperson angepasst, auch an Alter und Geschlecht.

Ein US-Präsident zum Beispiel müsste eine überdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit für seinen Posten mitbringen, auch Donald Trump, der eine universitäre Ausbildung genossen hat. In solchermaßen angepassten Kognitionstests müssten sich die Patienten nicht nur fünf, sondern 15 Wörter merken. Sich fünf Wörter einzuprägen, schaffen überdurchschnittlich intelligente Menschen auch dann noch, wenn bereits eine leichte Demenz eingesetzt hat, berichtet Fellgiebel.

Intelligente Personen kommen im Alltag häufig auch mit Gedächtnislücken gut klar

Aber auch Intelligenz und Bildung seien nicht alleine entscheidend. Es gebe große individuelle Unterschiede der Selbsteinschätzung, sagt Fellgiebel. Manchmal sieht der Psychiater Patienten, die sich ein Leben lang mühelos 15 Wörter im Test merken konnten. Und plötzlich beklagen sie, nur noch 13 zu schaffen. Auch wenn dieses Ergebnis noch völlig im akzeptablen Bereich liegt, nimmt Fellgiebel solche Hinweise und Klagen der Patienten ernst. "Wenn der Patient möchte, führen wir dann weitere Tests durch - von der Aufnahme im Kernspintomografen zum Beispiel über Bluttests bis hin zur Nervenwasser-Untersuchung, um eine mögliche, beginnende Demenz aufzuspüren.

Im Alltag sind die Betroffenen dann noch überhaupt nicht eingeschränkt. Gerade überdurchschnittlich intelligente Patienten können gut damit umgehen, wenn es ein wenig mit ihrem Gedächtnis hapert. Sie finden nämlich leicht Strategien, um ihre nachlassende Merkfähigkeit mit Hilfsmitteln zu kompensieren, wie sie sich besser an etwas erinnern können.

Donald Trump hat indes keine Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit. Dem Militärarzt Jackson trug er auf, sämtliche Fragen der Journalisten auf der Pressekonferenz zu beantworten. Nur eines hatte der Mediziner zu bemängeln: Trumps Gewicht von 108 Kilogramm.

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