Körpersignale:Die Sprache der Haut

Unsere Haut zeigt Krankheiten, Gewohnheiten und Emotionen an. Doch die Botschaften sind längst nicht so leicht zu entschlüsseln, wie Betroffene und Betrachter glauben. Über die Körpersignale der Haut.

Von Berit Uhlmann

Auch wenn längst nicht jede Hautkrankheit eine psychische Ursache hat, die Haut ist empfindlich auch für Einflüsse aus dem Körperinneren. Sie spiegelt Befindlichkeiten, Gefühle und Gewohnheiten wider. Ein Überblick über die verbreitetsten Botschaften des größten menschlichen Organs.

Unerklärlicher Juckreiz

Eines Morgens klagten zwei Viertklässlerinnen in West Virginia über heftigen Juckreiz. Bis zum Mittag ging es 32 Schülern so und am Abend waren 52 Kinder betroffen - und die Eltern und Lehrer in heller Aufregung, was denn in dieser Schule Schadhaftes im Umlauf sei. Eine gründliche Untersuchung dieses Falls aus dem Jahr 1982 förderte am Ende diese Erklärung zutage: Massenhysterie.

Juckreiz und Kratzen sind ansteckend, wahrscheinlich werden auch Sie sich beim Lesen dieses Textes ihre Haut reiben müssen. Diese soziale Komponente spricht dafür, dass Jucken und Kratzen wichtige Botschaften vermitteln, schreibt der Neurowissenschaftler Robert Provine in seinem Buch: "Curios Behavior". Die Signale zeigen sowohl dem Betroffenen als auch Beobachtern, dass die Haut in Gefahr sein könnte: Parasiten, Insekten, Krankheitserreger, Gifte oder Allergene drohen, die wichtige Barriere zu beschädigen. Jenseits der sozialen hat Kratzen auch eine praktische Funktion: Es kann derartige Eindringlinge von der Haut schaben.

Juckreiz ist darüber hinaus Symptom verschiedener Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder einem Kontaktekzem. Unglücklicherweise reagieren Betroffene auch stärker auf den Anblick von kratzenden Menschen, wie Forscher in Versuchen zeigen konnten. Betroffene brauchen meist Hilfe vom Arzt. Allen anderen kann dagegen geraten werden, Ruhe zu bewahren. Wie bei den Schulkindern in West Virginia legt sich das psychisch bedingte Jucken meist von allein sehr schnell wieder.

Erröten

Es ist wohl das verräterischste Signal, das die Haut aussenden kann: Mit feuerroten Wangen kündet sie deutlich sichtbar davon, dass ihr Träger gerade heftige Emotionen erlebt. Psychologen glauben, dass in erster Linie unerwünschte Aufmerksamkeit das Erröten auslöst. Dass ein Kopf in Signalfarbe in vielen Fällen noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, macht die Sache nur schlimmer. Es kann ein Teufelskreis entstehen, der im Extremfall zur Erythrophobie, der Angst vor dem Erröten, führen kann.

Anders als den Drang, juckende Haut zu kratzen, können Betroffene das Erröten willentlich nicht unterdrücken und fühlen sich umso hilfloser. Ganz so machtlos sind sie jedoch nicht. Denn Erröten spielt sich nicht nur am, sondern auch im Kopf ab und ist damit beeinflussbar.

Wissenschaftler haben gezeigt, dass vor allem diejenigen stark erröten, die heftige Angst haben und das Körpersignal als sehr negativ bewerten. Doch an solchen Einstellungen und Befürchtungen kann man arbeiten. In schweren Fällen mit einer Verhaltenstherapie.

In leichteren Fällen können vielleicht schon Einsichten wie diese beruhigen: Außenstehende finden das Erröten meist gar nicht abschreckend. Im Gegenteil: Traditionell wird es mit Jugend und Bescheidenheit und vor allem bei Frauen mit romantischen Gefühlen assoziiert. Menschen, die erröten, werden bei Fehlern sehr viel nachsichtiger behandelt. Mehr noch, man hält sie für freundlicher und sympathischer als Menschen, die die gleichen Fehler ohne Erröten begehen. Und sie werden als besonders vertrauenswürdig eingeschätzt, selbst dann, wenn sie schon einmal unzuverlässig waren.

Schwitzen

Wem in einer sozialen Situation plötzlich der Schweiß auf der Stirn perlt, fühlt sich ähnlich bloßgestellt wie jemand, der fürchterlich rot wird. Wie beim Erröten kann sich auch beim Schwitzen ein Kreislauf aus Angst und noch stärkerem Transpirieren entwickeln. Dennoch ist Schwitzen gar kein so verräterisches Signal, wie von Betroffenen angenommen.

Schweißperlen

Schwitzen muss nicht in jedem Fall peinlich sein. Sportler haben meist keine Problem mit den Schweißausbrüchen.

(Foto: DerGrafischer / photocase.com)

Schweißausbrüche können viele Ursachen haben. Abgesehen von Hitze und starker Bewegung sind auch stark gewürzte Speisen, Alkohol, Kaffee und manche Medikamente wie Antidepressiva Auslöser. Es kann zudem ein Anzeichen von Erkrankungen wie Diabetes oder einer Schilddrüsenüberfunktion sein. Bei Frauen kann es auf die Wechseljahre hindeuten. Doch anders als die betroffenen Frauen dies annehmen, interpretieren die meisten Menschen einen Schweißausbruch gar nicht als Symptom des Klimakteriums.

Auch Angst als Ursache eines Schweißausbruchs ist wohl nicht so leicht zu erkennen, wie Betroffene fürchten. Zwar riecht Angstschweiß anders als normaler Schweiß, wie Forscher zeigen konnten. Doch Außenstehende können ihn nicht bewusst als Äußerung von Angst erkennen.

Etwas anders liegt der Fall bei der Hyperhidrose, einem Leiden, das sich durch häufig auftretendes übermäßiges Schwitzen auszeichnet. Sie kann angeboren oder Folge einer Erkrankung wie einer Schilddrüsenüberfunktion sein. Für Betroffene gibt es eine ganze Reihe von Behandlungsmöglichkeiten: von Salben über Medikamente bis zur Operation. Ansprechpartner sind Hautärzte.

Seltsam gefärbte oder gemusterte Haut

Es kann erschrecken, wenn die Haut plötzlich ungewohnte Färbungen oder Musterungen zeigt. Doch nicht alles ist gefährlich.

Gelb-oranger Hautton: Er ist wahrscheinlich harmlos. Der Karottenteint, den man von Babys kennt, kann auch bei Erwachsenen auftreten. Wer täglich größere Mengen von Obst und Gemüse isst, verändert seinen Hautton.

Gelbe Haut: Wirkt die Haut dagegen eher gelb und ist eventuell auch das Weiße der Augen gelblich gefärbt, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Es könnte sich um eine Gelbsucht oder eine andere Lebererkrankung handeln.

Längerfristig gerötete Wangen: Wer über einen längeren Zeitraum und ohne emotionalen Auslöser so aussieht, als sei er gerade errötet, zeigt möglicherweise erste Anzeichen einer Hautkrankheit namens Rosazea.

Pigmentflecken: Dass die Haut vor allem im Gesicht, am Hals oder Dekolleté etwas dunklere Flecken aufweist, kann verschiedene Ursachen haben. Findet sich die dunklere Pigmentierung an Wangen und Nasenrücken einer jungen Frau, könnte es sich um die so genannte Schwangerschaftsmaske handeln. Genau wie die linea nigra, eine dunkle Linie vom Bauchnabel bis zum Schambein, kann sie durch die Hormonumstellung in der Schwangerschaft hervorgerufen werden. Sie ist harmlos und verschwindet in aller Regel nach der Entbindung wieder.

Bei Männern wie Frauen kann das Alter eine Ursache für eine zunehmend ungleichmäßige Pigmentierung sein. Man spricht dann entlarvend von Altersflecken oder sogar Friedhofsblümchen. Einige Inhaltsstoffe von Parfüms können unter Sonneneinwirkung ebenfalls zu charakteristischen dunkleren Verfärbungen führen. In jedem Fall sind solche Pigementflecken harmlos. Wen sie kosmetisch sehr stören, der kann den Hautarzt um Rat fragen. Bestimmte Cremes können sie längerfristig bleichen.

Ein violettes Netzmuster auf der Haut: Wahrscheinlich befinden Sie sich gerade in der Kälte, wenn Sie an sich oder Ihrem Kind dieses Muster wahrnehmen. Es wird auch Kältemarmorierung genannt und ist harmlos. Es beruht darauf, dass sich die Blutgefäße verengen. In der Wärme verschwindet es nach einer Weile wieder.

Ständige blaue Flecken

Manche Menschen haben noch als Erwachsene Schienbeine wie ein Fünfjähriger im Dauerclinch mit der Nachbarsclique. Dauernd schimmert irgendwo ein leicht schmerzender, bläulicher Fleck. Hämatome, wie der Arzt sie nennt, müssen nicht unbedingt darauf hinweisen, dass der Betroffene ein Raufbold oder besonders tolpatschig ist. Manche Menschen haben eine ererbte Veranlagung dafür, schon bei leichten Stößen deutlich sichtbare Flecke zu entwickeln.

Im Alter nimmt diese Neigung bei vielen Menschen zu, da die schützende Fettschicht dünner wird. Wer blutverdünnende Medikamente wie Aspirin einnimmt, hat ebenfalls oft Hämatome. Sie heilen in der Regel von allein. Wer die Heilung unterstützen will, kann die betroffene Hautpartie kühlen und hochlagern.

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