Kinderwunsch:Wie Ärzte Paaren helfen, die ungewollt kinderlos sind

Spermien und Eizelle

Eine von Spermien umgebene Eizelle in einer mikroskopischen Aufnahme.

(Foto: Jan-Peter Kasper/picture-alliance/ dpa)

In Deutschland hat etwa jedes sechste Paar Schwierigkeiten, ohne ärztliche Hilfe ein Kind zu bekommen. Ein Überblick über Behandlungsmöglichkeiten - und ihre Risiken.

Von Berit Uhlmann

In Deutschland hat etwa jedes sechste Paar Schwierigkeiten, ohne ärztliche Hilfe ein Kind zu bekommen. Die Ursachen sind vielfältig, ebenso wie die Therapien. Ein Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten.

Samenübertragung

So funktioniert es: Die Samenübertragung, auch Insemination genannt, ist eine vergleichsweise einfache Methode, die der natürlichen Zeugung mechanisch ein wenig nachhilft: Sperma wird mit einem feinen Schlauch in die Gebärmutter der Frau injiziert. Um sicherzustellen, dass die Samenzellen auf reife Eizellen treffen, wird der Eisprung durch Hormonanalysen und Ultraschallkontrollen abgepasst oder medikamentös ausgelöst.

Nutzen und Risiken: Da den Spermien ein Teil des mühsamen Weges erspart wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass genügend von ihnen zum richtigen Zeitpunkt bei der Eizelle ankommen. Die Behandlung führt in etwa zehn bis 15 Prozent der Fälle zu einer Schwangerschaft. Sie gilt als risikoarm.

Recht und Finanzen: Das Verfahren ist in Deutschland zulässig. Verheirateten Paaren zahlen die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel 50 Prozent der Behandlungskosten.

Künstliche Befruchtung: IVF und ICSI

So funktioniert es: Durch Hormone werden die Eierstöcke dazu angeregt, mehrere Eizellen auf einmal reifen zu lassen. Anschließend entnehmen Mediziner diese Zellen, um sie außerhalb des Körpers der Frau zu befruchten. Bei der klassischen Befruchtungsmethode - der In-Vitro-Fertilisation (IFV) - bringen die Ärzte Ei- und Samenzellen in einer Petrischale zusammen, wo sie ohne weiteres Zutun miteinander verschmelzen. Bei der sogenannten Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) überlassen sie die Zellen dagegen nicht einfach ihrem Schicksal, sondern injizieren Spermien mit einer Mini-Pipette in die Eizellen. Im Anschluss setzen Ärzte maximal drei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter ein. Überzählige Embryonen können eingefroren und gegebenenfalls für einen weiteren Versuch genutzt werden.

Nutzen und Risiken: Die künstliche Befruchtung ist ein langwieriger Prozess, der keine Garantie auf Erfolg hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau nach IVF oder ICSI ein Kind gebärt, beträgt etwa 20 Prozent pro Versuch. Die hormonelle Stimulation zur Reifung mehrerer Eizellen kann Symptome auslösen, wie sie Frauen in den Wechseljahren erleben. In seltenen Fällen kann ein sogenanntes Überstimulierungssyndrom auftreten: Die Eierstöcke vergrößern sich drastisch, die Frau spürt Bauchschmerzen und Übelkeit und kann ein lebensbedrohliches Blutgerinnsel entwickeln.

Kommt es zu einer Drillingsschwangerschaft, steht die Frau vor einem Dilemma. Entweder sie trägt alle Kinder aus und setzt sie der Gefahr von Entwicklungsstörungen, Fehl- oder Frühgeburten aus. Oder sie entscheidet sich, vorsorglich einen oder zwei Embryonen töten zu lassen, um die Risiken zu minimieren. Der sogenannte Fetozid gehört zu den Schattenseiten der Reproduktionsmedizin und kann Frauen psychisch schwer belasten.

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Das Geschäft mit dem unerfüllten Kinderwunsch boomt. Welche Erfahrungen haben etwa eine Leihmutter oder ein Spenderkind mit der Reproduktionsmedizin gemacht? Und müssen wir uns früher mit dem Ende der eigenen Fruchtbarkeit beschäftigen? Lesen Sie hier alle Texte zum Thema.

Recht und Finanzen: IVF und ICSI sind in Deutschland erlaubt. Unzulässig ist dagegen, die befruchteten Eizellen vor der Implantation in die Gebärmutter genetisch zu untersuchen, um Embryonen mit dem Wunschgeschlecht oder einem anderen herbeigesehnten Merkmal herauszupicken. Eine Präimplantationsdiagnostik (PID) wird in Deutschland nur dann durchgeführt, wenn die Eltern an ganz speziellen Erbkrankheiten leiden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Fehl- oder Todgeburt zur Folge hätten. Einige Länder, darunter die USA und Thailand, gestatten dagegen die Geschlechtsselektion.

Bei Ehepaaren übernehmen die gesetzlichen Kassen 50 Prozent der Kosten. In manchen Bundesländern bekommen Familien zusätzlich Zuschüsse, die sich Bund und Länder teilen. Auch unverheiratete heterosexuelle Paare erhalten in einigen Bundesländern finanzielle Unterstützung. (Mehr unter: www.informationsportal-kinderwunsch.de)

In Deutschland erlaubt: TESE, MESA, Samenspende und Egg Freezing

TESE und MESA

So funktioniert es: Enthält die Samenflüssigkeit des Mannes zu wenige Spermien, können Urologen unter Umständen Samen operativ gewinnen. Sie entnehmen entweder Zellen aus den Nebenhoden (Mikrochirurgische epididymale Spermienaspiration: MESA) oder entfernen etwas Gewebe aus den Hoden, aus dem sie dann Spermien isolieren können (Testikuläre Spermienextraktion: TESE). Die so gewonnenen Zellen werden dann in Eizellen injeziert.

Nutzen und Risiken: Ob mit den Eingriffen Samenzellen gewonnen werden, hängt von der Störung des Mannes ab. Die Erfolgsrate der MESA-Spermien entspricht der natürlich gewonnener Spermien. Mit TESE erhaltene Samenzellen versprechen etwas weniger Erfolg. Nach einer TESE kann es zu einer Verkleinerung eines oder beider Hoden kommen. Die Frau trägt die oben beschriebenen Risiken der künstlichen Befruchtung.

Recht und Finanzen: Beide Methoden sind in Deutschland zulässig. Die Kassen handhaben die Abrechnung sehr unterschiedlich.

Samenspende

So funktioniert sie: In der Regel wird der Begriff verwendet, wenn ein Mann einer Frau Samen überlässt, aber nicht die Vaterrolle übernehmen möchte. Die Übertragung der Spermien erfolgt am häufigsten durch die Insemination, seltener durch ein Verfahren der künstlichen Befruchtung.

Nutzen und Risiken hängen von der verwendeten Übertragungsmethode ab. Unter Umständen kann es die Familie belasten, wenn das Kind die Gene eines fremden Mannes trägt.

Recht und Finanzen: Die Samenspende ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, die Kosten müssen die Paare jedoch selbst aufbringen. Die Bundesärztekammer spricht sich in ihrer Richtlinie dagegen aus, alleinstehenden Frauen oder lesbischen Paaren Spendersamen zu übertragen. Sie argumentiert, dass für die Kinder in diesen Konstellationen keine stabile Beziehung zu beiden Elternteilen gesichert sei. Daher bieten nicht alle Kinderwunschzentren allen Frauen die Behandlung mit Spendersamen an.

Die juristischen Konsequenzen der Samenspende sind schwer abzuschätzen, da derzeit nicht alle rechtlichen Fragen zu den Ansprüchen und Pflichten des biologischen Vaters oder des Kindes geklärt sind. Dazu gehören etwaige Unterhaltszahlungen, das Erbe oder das Recht auf Auskunft über die eigene Abstammung.

Eizellen einfrieren

So funktioniert es: Beim "Egg Freezing" lagern Frauen ihre eigenen Eizellen für eine spätere Befruchtung ein. Tun sie dies ohne medizinische Notwendigkeit, spricht man vom "Social Freezing". Die Frauen können dann Schwangerschaften bis in ein Alter aufschieben, in dem die natürliche Fruchtbarkeit nachlässt. Die Eizellen werden in jungen Jahren durch eine Hormonstimulation gewonnen. Die Befruchtung erfolgt künstlich mittels IFV oder ICSI.

Nutzen und Risiken: Eingefrorene Eizellen haben ein ähnlich hohes Erfolgspotenzial wie frisch entnommene. Die Hormonstimulation birgt Risiken (siehe künstliche Befruchtung). Späte Schwangerschaften führen zudem häufiger zu Frühgeburten, Bluthochdruck und anderen Komplikationen. Langzeiterkenntnisse über die Entwicklung der so gezeugten Kinder fehlen noch.

Recht und Finanzen: Das Verfahren ist in Deutschland zulässig. Die Kosten für die Entnahme und Einlagerung der Zellen müssen die Frauen privat zahlen.

Im Ausland zulässig: Eizellspende, Embryoenenspende und Leihmutterschaft

Eizellspende

So funktioniert es: Ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch erhält Eizellen von einer anderen Frau. Die Spenderin muss sich einer Hormonstimulation unterziehen. Die Eizellen werden im Labor mit dem Samen des Partners befruchtet und anschließend in die Gebärmutter der Empfängerin eingesetzt.

Recht: Anders als die Samenspende, ist die Eizellspende in Deutschland verboten. Begründet wird dies vor allem mit den Belastungen und Risiken für die Spenderin. Ethisch problematisch ist zudem, dass Frauen Eizellen häufig aus wirtschaftlicher Not heraus spenden und sich die Empfängerin somit an deren Ausbeutung beteiligt. Erlaubt ist die Überlassung von Eizellen beispielsweise in Belgien, Spanien, der Ukraine und Bulgarien. Es ist derzeit nicht einheitlich geregelt, ob das Kind ein Recht auf die Kenntnis seiner biologischen Mutter hat.

Nutzen und Risiken entsprechen denen von IVF und ICSI. Die medizinischen Standards können im Ausland jedoch niedriger sein.

Embryonenspende

So funktioniert es: Sie ist quasi die Adoption eines gerade erst entstehenden Menschen. Einer Frau mit unerfülltem Kinderwunsch werden befruchtete Eizellen eines anderen Paares eingesetzt. Oft handelt sich um überzählige Zellen aus der künstlichen Befruchtung dieses Paares.

Recht: Die Embryonenspende ist in Deutschland rechtlich nicht eindeutig geregelt und wird deshalb (bis auf wenige Ausnahmen) nicht praktiziert. Erlaubt ist sie beispielsweise in den USA und Großbritannien. Wie bei der Eizellspende gilt, dass die Kinder nicht überall das Recht haben, Auskunft über die Spender zu bekommen.

Nutzen und Risiken: Die US-Gesundheitsbehörde CDC gibt die Wahrscheinlichkeit einer fristgerechten Geburt mit durchschnittlich 25 Prozent an. In manchen Ländern werden mehr als drei Embryonen implantiert, das lässt das Risiko für riskante Mehrlingsschwangerschaften stark steigen.

Leihmutterschaft

So funktioniert es: Ein Paar lässt sein Kind von einer anderen Frau austragen. Dazu werden der Frau befruchtete Eizellen des Paares eingesetzt. Möglich ist auch, dass die Leihmutter zugleich Eizellen spendet, die mit einer der gängigen Methoden befruchtet werden.

Recht: In Deutschland ist die Leihmutterschaft nicht erlaubt. Wer sie im Ausland in Anspruch nimmt, kann massive juristische Probleme bekommen. Nach deutschem Recht ist die Leihmutter die rechtliche Mutter. Ist sie verheiratet, gilt ihr Mann als der Vater. Das Kind hat in der Regel keine deutsche Staatsbürgerschaft und kann unter Umständen nicht mit nach Deutschland genommen werden. Die ethischen Bedenken sind hoch, denn eine Schwangerschaft ist für die Leihmutter körperlich belastend und nicht frei von Gesundheitsrisiken. Auch psychische Probleme sind nicht ausgeschlossen, etwa wenn die Leihmutter eine Bindung zu dem Kind in ihrem Körper aufbaut. Erlaubt ist die Leihmutterschaft unter anderem in den USA und Indien.

Nutzen und Risiken entsprechen denen der IVF oder ICSI. Die Leihmutter kann Schwangerschaftskomplikationen erleiden.

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