Neuer Bluttest:Viren der Vergangenheit

Ein neuer Bluttest erkennt 1000 verschiedene Erreger auf einmal, die dem Körper irgendwann einmal zu schaffen gemacht haben. Sie alle haben Spuren im Immunsystem hinterlassen.

Von Hanno Charisius

Ein Tropfen Blut genügt, um die Krankheitsgeschichte eines Menschen zum großen Teil zu rekonstruieren. Zumindest die Viren, mit denen der Körper in der Vergangenheit gerungen hat, kann ein neuer Test erkennen. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Genetikers Stephen Elledge von der Harvard Medical School stellt das Verfahren in der Freitagsausgabe des Fachblatts Science vor (Bd. 348, S. 1105, 2015). Die Wissenschaftler haben Proben von 569 Menschen getestet. Im Durchschnitt fanden sie Spuren von zehn vergangenen Virusinfektionen, die nicht immer auch zu einer Erkrankung führten. Dennoch reagiert der Körper mit der Produktion von Antikörpern gegen den Erreger; diese sind auch Jahrzehnte nach einer abgeklungenen Infektion noch im Blut zu finden. Bei zwei Versuchsteilnehmern entdeckten die Forscher sogar Spuren von 84 verschiedenen Viren im Blut.

"Der Test kann hilfreich sein für die epidemiologische Forschung, wenn man heraus finden möchte, welche Viren in einer Bevölkerung verbreitet sind", sagt Hartmut Hengel, Vizepräsident der Gesellschaft für Virologie von der Universität Freiburg. Weil das Verfahren nicht zwischen einer akuten und einer lange vergangenen Infektion unterscheide, sei es aber für die Diagnosestellung in der ärztlichen Praxis nicht geeignet, erklärt er. Auch könne man mit der Methode nur Viren aufspüren, die bereits bekannt sind.

In der Epidemiologie sehen die Entwickler des Tests ohnehin das wichtigste Einsatzgebiet. Sie hoffen aber auch, bislang unbekannte Wechselwirkungen zwischen Virusinfektionen und dem menschlichen Immunsystems aufzuspüren sowie Zusammenhänge zwischen Infektionen früh im Leben und dem Ausbruch einer Krankheit Jahrzehnte danach.

Solche Spätfolgen sind bereits seit Langem für Humane Papillomaviren und Gebärmutterhalskrebs sowie Epstein-Barr-Viren und sehr seltene Tumoren in Lymphknoten bekannt. 87 Prozent der Testpersonen der neuen Studie hatten Spuren dieses Erregers, der auch das Pfeiffersche Drüsenfieber verursacht, im Blut. Durch die systematische Untersuchung vieler Menschen wollen Elledge und seine Kollegen weitere Zusammenhänge aufdecken. So ließen sich neue Hypothesen über die Entstehung von Krankheiten und passende Gegenstrategien entwickeln, hofft er.

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