WHO-Empfehlung:HIV sofort behandeln

Nach den neuesten Empfehlungen der WHO sollen HIV-Patienten unmittelbar nach der Diagnose Medikamente bekommen. Deutschland hinkt in dieser Hinsicht noch hinterher.

Von Kai Kupferschmidt

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt erstmals allen HIV-infizierten Menschen, so schnell wie möglich Medikamente zu nehmen. Die Empfehlung ist Teil einer neuen Strategie mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Weltweit gibt es etwa 37 Millionen Menschen, die mit HIV infiziert sind. Was früher ein Todesurteil war, lässt sich heute meist gut behandeln. Eine Kombination mehrerer Wirkstoffe unterdrückt das Virus so weit, dass es im Blut nicht mehr nachweisbar ist und kann so den Ausbruch von Aids verhindern. Zudem empfiehlt die WHO, dass alle Menschen mit hohem Infektionsrisiko Zugang zu Medikamenten erhalten, die eine Ansteckung verhindern können.

Wann genau HIV-Infizierte anfangen sollten, die Medikamente zu nehmen, ist eine schwierige Abwägung. Auf der einen Seite gibt es immer mehr Studien, die zeigen, dass Menschen, die früher mit einer Therapie beginnen, länger leben und seltener an schweren Krankheiten wie Tuberkulose erkranken. Zudem wird das Risiko, andere anzustecken, drastisch reduziert. Andererseits ist es kaum möglich abzuschätzen, welche Nebenwirkungen die Medikamente über Jahrzehnte haben könnten. Bisher hatte die WHO empfohlen, erst dann mit der HIV-Therapie zu beginnen, wenn die Zahl der T-Helferzellen, also diejenigen Zellen des Immunsystems, die das Virus angreifen, bei einem Patienten unter 500 pro Mikroliter Blut sinkt.

Die neue Empfehlung, Infizierte sofort zu behandeln, sei überfällig gewesen, sagt der HIV-Forscher Norbert Brockmeyer von der Ruhr-Universität Bochum. "Wir haben schon seit einigen Jahren Daten, dass es sinnvoll ist, sofort mit der Therapie zu beginnen."

In Deutschland gilt offiziell noch die Regel, dass HIV-Infizierte behandelt werden sollten, sobald ihre T-Helferzellzahl unter 350 pro Mikroliter Blut sinkt. "Deutschland hinkt da hinterher", sagt Jürgen Rockstroh, Forscher an der Universität Bonn. Bis Ende des Jahres dürften aber neue Richtlinien herauskommen, die ebenfalls empfehlen, alle Menschen zu behandeln, die das Virus in sich tragen.

Die Empfehlungen der WHO erscheinen im Dezember, sagt Gundo Weiler, der dort die HIV-Abteilung leitet. Doch die Änderungen seien so bedeutend, dass sie so schnell wie möglich öffentlich gemacht werden sollten. "Bei der HIV-Epidemie ist Zeit noch immer ein entscheidender Faktor."

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