Immunsystem:Mehr Abwehr im Winter

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5000 Gene sind je nach Jahreszeit unterschiedlich aktiv, haben Wissenschaftler herausgefunden. (Foto: obs)

Das menschliche Immunsystem wird in der kalten Jahreszeit besonders aktiv. Das nützt bei Erkältungen, begünstigt aber womöglich andere Erkrankungen.

Von Hanno Charisius

Gut ein Viertel des menschlichen Erbguts arbeitet im Winter anders als im Sommer. Dies könne der Grund dafür sein, dass einige Krankheiten vermehrt in der kalten Jahreszeit auftreten und schlimmer verlaufen als in den Sommermonaten, spekulieren britische Forscher im Fachjournal Nature Communications. Sie hatten den größten Teil der bekannten menschlichen Erbanlagen untersucht und festgestellt, dass mehr als 5000 Gene je nach Jahreszeit unterschiedlich aktiv sind.

Einem saisonalen Wandel unterliegen außerdem manche Zellen der Immunabwehr, die Zusammensetzung des Bluts und das Fettgewebe.

Herzleiden, Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose, aber auch psychische Krankheiten nehmen in den Wintermonaten zu, die Gründe dafür waren bislang unklar. Die Untersuchung des Genetikers John Todd von der University of Cambridge und seinen Kollegen legt nun nahe, dass diese Häufung mit den jahreszeitlichen Veränderungen im Immunsystem zusammenhängen könnte. Wobei noch vollkommen offen ist, über welche Mechanismen die Jahreszeiten auf die Aktivität der Gene und damit auch das Immunsystem wirken. Womöglich steuert das Licht den Wechsel, vielleicht ist es die Temperatur oder es liegt an noch unbekannte Faktoren.

Darauf deutet die Beobachtung hin, dass sich auch bei Menschen in Gambia die Immunabwehr der Jahreszeit anpasst, obwohl dort Temperatur und Lichtunterschiede im Jahresverlauf sehr moderat ausfallen. In der Regenzeit von Juni bis Oktober steigt die Zahl der Abwehrzellen im Blut dennoch an, in dieser Zeit kursieren die meisten Krankheitserreger.

In nördlicheren Ländern, aber auch bei Australiern scheint das Immunsystem jeweils im Winter schneller zu reagieren als im Sommer. Vor allem ein Gen stach bei der Analyse hervor, das Entzündungen unterdrückt. Das sogenannte ARNTL-Gen ist im Winter weniger aktiv als im Sommer. Dadurch entstehen rascher Entzündungen, durch die der Körper Infektionen bekämpft. Entzündungen zählen aber auch zu den Risikofaktoren für eine Reihe von Erkrankungen wie eben Herz- oder Autoimmunleiden.

Die Wissenschaftler glauben, dass ihre Entdeckung Einfluss auf die Behandlung vieler Krankheiten haben könnte, sobald man die biologischen Hintergründe besser verstehe. Auch die Wirkung von Impfungen solle sich verbessern lassen.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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