HIV:Ärzte streiten um Heilung eines Aidspatienten

Der "Berliner Patient" ging als erster jemals vom Aids geheilter Mensch in die Medizingeschichte ein. Nun wecken amerikanische Ärzte Zweifel, ob er Mann tatsächlich genesen ist.

Christina Berndt

Timothy Brown ist in die Medizingeschichte eingegangen. Er gilt als erster Patient, der von einer HIV-Infektion geheilt wurde. Ärzte der Berliner Charité hatten ihn im Jahr 2006 mit Stammzellen behandelt. Doch jetzt streiten Fachleute, ob der Aids-Erreger nicht doch noch in dem Mann schlummert, der als "Berliner Patient" berühmt geworden ist.

Dass eine Heilung überhaupt möglich schien, lag an Browns doppelt schwerem Schicksal: Der gebürtige Kalifornier hatte sich nicht nur mit HIV infiziert, sondern litt auch an Blutkrebs. Wegen der Leukämie sollten seine eigenen Blutzellen zerstört und durch blutbildende Stammzellen eines Fremden ersetzt werden.

Zu Browns Blutmerkmalen passten erstaunlich viele Spender - und so sahen seine Berliner Ärzte eine nie dagewesene Chance, ihren Patienten auch gleich von HIV zu befreien: Sie wählten einen Spender aus, der - wie etwa ein Prozent aller Menschen - aufgrund genetischer Besonderheiten immun gegen HIV war: Die Viren können seine Zellen nicht entern, weil das Molekül CCR5 mutiert ist, eine Eintrittspforte für HIV in menschliche Zellen. Brown nahm fortan keine Aids-Medikamente mehr, das Virus kam trotzdem nicht zurück.

Inzwischen ist der Berliner Patient nach Kalifornien gezogen. Seine neuen Ärzte haben nun doch Hinweise auf Virusfragmente in seinem Körper gefunden. Ihre Daten stellten sie am 8. Juni auf einem Workshop im spanischen Sitges vor. "Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, dass das Virus vollständig eliminiert wurde", sagte der Virologe Steven Yukl von der University of California in San Francisco. Er wolle aber nicht so weit gehen, zu erklären, dass Brown nicht geheilt worden sei.

Von einer Heilung ist der Infektiologe Douglas Richman von der University of California in San Diego weiterhin überzeugt. Er habe keine HIV-Reste gefunden, womöglich hätten seine Kollegen nur Artefakte produziert. Mit der Methode namens PCR finde man immer etwas, wenn man nur lange genug suche, sagte Richman dem Magazin Science: "Zum Schluss findet man im Wasser Signale für rosa Elefanten." Das Wesentliche sei doch, so Richman: "Der Patient braucht seit fünf Jahren keine Aids-Medikamente mehr."

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