Hirnforschung:Menschen haben Lust an der Strafe

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Beim Hütchenspiel wird gerne betrogen. (Foto: dpa/dpaweb)
  • Das Gespür für einen gerechten Ausgleich ist dem Menschen gegeben und lässt sich sogar in seinen Gehirnstrukturen nachvollziehen.
  • Hirnforscher haben 54 junge Männer im Hirnscanner untersucht, während sie ein Spiel spielten, bei dem sie mehr oder weniger gerecht vorgehen konnten.
  • Das Ergebnis: "Fehlverhalten zu bestrafen ist für das Gehirn lohnender als das Opfer zu unterstützen", so das Fazit der Autoren.

Von Werner Bartens

Man muss nicht an die jüdische Legende von den 36 Gerechten glauben, um dem Menschen einen Sinn für Fairness und Gleichbehandlung zuzugestehen. Womöglich ist das eine Grundkonstante des Daseins. Schließlich reagieren schon Kleinkinder ungehalten, wenn sie ungerecht behandelt werden oder miterleben, wie andere übervorteilt werden.

Das Gespür für einen gerechten Ausgleich ist dem Menschen offenbar gegeben und lässt sich sogar in seinen Gehirnstrukturen nachvollziehen. Diesen Schluss legen zumindest Untersuchungen einer niederländischen Arbeitsgruppe nahe, die im Journal of Neuroscience veröffentlicht sind.

Die Hirnforscher um Mirre Stallen von der Universität Nijmegen haben 54 junge Männer im Hirnscanner untersucht, während sie ein Spiel spielten, bei dem sie mehr oder weniger gerecht vorgehen konnten. Anschließend war es möglich, die Betrüger im Spiel zu bestrafen - oder den Benachteiligten zu helfen. "Fehlverhalten zu bestrafen ist für das Gehirn lohnender als das Opfer zu unterstützen", so das Fazit der Autoren. "Werden soziale Normen verletzt, schreiten wir ein."

Oxytocin, das Bindungs- und Kuschelhormon, lässt Strafen milder ausfallen

Die Analyse der Gehirnaktivität ergab, dass Nervenstrukturen im limbischen System, das auch als "emotionales Gehirn" bezeichnet wird, stärker feuern, wenn ein unfairer Spieler sanktioniert und sein unrechtmäßiger Gewinn wieder geschmälert wird. Den Verlust des betrogenen Verlierers wieder auszugleichen, bringt hingegen weniger Nervenaktivität in den Belohnungszentren des Gehirns hervor und wird deshalb auch als weniger befriedigend empfunden.

Das Bedürfnis zu bestrafen folgt allerdings - anders als in Filmen gerne dargestellt - zumeist weniger hemmungslosen Rachegelüsten und blinder Wut, sondern einem abgewogenen Urteil, wie heftig die Sanktion ausfallen soll. Beeinflusst wird das Ausmaß der Strafe allerdings davon, wer dem Trickser zum Opfer fällt. Wird man selbst im Spiel benachteiligt, fällt die Strafe generell stärker aus, als wenn ein Dritter betroffen ist, so das Ergebnis der Hirnforscher aus den Niederlanden.

In einem weiteren Schritt untersuchten die Wissenschaftler, wie sich das Bindungshormon Oxytocin auf die Erfahrung von Ungerechtigkeit auswirkte. Ein Teil der Versuchsteilnehmer bekam das Mittel als Nasenspray verabreicht, der andere Teil erhielt mit dem Spray lediglich ein Scheinmedikament. Unter dem Einfluss des Hormons stieg jedoch nicht die Bereitschaft, den Opfern im Spiel zu helfen, was gegen die bisherige Beobachtung spricht, wonach Oxytocin das Mitgefühl stärkt und altruistische und andere pro-soziale Verhaltensweisen fördert.

Allerdings wurden unter Oxytocin insgesamt häufiger Strafen verteilt, die indes milder ausfielen. "Vermutlich wirkt das Hormon als Korrektiv, das auf mäßige Vergehen mit einer mäßigen Strafe reagieren lässt", so die Autoren. "Das vernünftige, rationale Handeln wird gestärkt und die emotionale Reaktion - etwa eine heftige Strafe aus Wut oder Angst - dadurch abgeschwächt." Statt drakonischer Härten folgt eine Ermahnung mit Augenmaß.

Unter Oxytocin machte es übrigens keinen Unterschied im Ausmaß der Strafe, ob man selbst oder ein Dritter im Spiel betrogen worden war. Das spricht für die Rolle des Hormons, nicht nur dem benachteiligten Selbst Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sondern auch übergeordnete Gruppeninteressen zu berücksichtigen. Schließlich stärkt Fairness den Zusammenhalt der Gemeinschaft - und dazu kann auch beitragen, mildere Verstöße großzügig zu behandeln und nicht mit unbarmherzigem Zorn zu ahnden.

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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