Hilfe bei Lähmungen:Strom im Rückenmark

Elektrostimulation hilft gelähmnten Männern

Andrew Meas, Dustin Shillcox, Kent Stephenson und Rob Summers (von link) können dank Elektrostimulation ihre Beine zumindest etwas wieder bewegen.

(Foto: University of Louisville)

Die vier Männer waren von der Brust an komplett gelähmt. Nachdem ihr Rückenmark mit einem eingepflanzten Stimulator elektrisch gereizt wurde, können sie ihre Beine wieder bewegen.

Von Werner Bartens

Kent Stephenson liegt auf dem Rücken und lächelt. Dann kündigt er an, dass er gleich das rechte und dann das linke Bein anheben wird. Kurz darauf beugt er das zuvor gestreckte Knie und die Hüfte - im nächsten Moment streckt er das Bein im Sitzen, nachdem es zuvor gebeugt war. Das sieht noch etwas ungelenk aus, aber das Erstaunliche ist, dass Stephenson seine Beine überhaupt bewegen kann. Er ist schließlich seit einem Verkehrsunfall querschnittsgelähmt.

Amerikanische Ärzte um Claudia Angeli und Reggie Edgerton berichten nun im Fachmagazin Brain (online), dass Stephenson und drei weitere gelähmte Männer ihre Beine wieder willkürlich bewegen konnten, nachdem ihr Rückenmark gezielt mit einem eingebauten Stimulator elektrisch gereizt wurde.

Bei allen vier Patienten war das Rückenmark im Bereich der Hals- oder der oberen Brustwirbelsäule so schwer geschädigt, dass sie die unteren Gliedmaßen und teilweise die Arme nicht mehr bewegen und spüren konnten. Die Unfälle lagen mindestens zwei Jahre zurück. Über Rob Summers, einen der Patienten, wurde bereits im Jahr 2011 im Fachblatt Lancet berichtet. Der damals 25-Jährige war seinerzeit mittels Elektrostimulation in der Lage, ohne fremde Hilfe bis zu vier Minuten lang zu stehen, wobei er sich mit den Armen seitlich festhielt.

Bei der epiduralen elektrischen Stimulation wird Strom mit wechselnder Stärke und Intensität auf das Rückenmark im Lendenbereich gegeben, um auf diese Weise die nicht mehr vorhandenen Impulse vom Gehirn zu imitieren. Die dazu notwendigen Elektroden müssen neurochirurgisch eingepflanzt werden.

"Bei zwei von unseren vier Patienten hieß es, dass motorisch wie sensorisch keine Restfunktion der Nerven erhalten sei", sagt Studienleiterin Angeli. "Jetzt können sie selbständig ihre Hüften, Knöchel und Zehen bewegen. Das ist schon beeindruckend und zeigt, welches Potenzial das Rückenmark auch nach schweren Verletzungen hat, um sich zu erholen."

Nachdem die elektrischen Signale von außen kamen, konnte das Rückenmark sein neuronales Netzwerk offenbar aktivieren und damit die Nerven- und Muskelkontrolle wieder erlernen und zumindest teilweise kontrollieren.

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