Griechenland:Die Opfer der Krise

Armut und eine unsichere Zukunft: In Griechenland sind die Suizidzahlen seit Beginn der Finanzkrise stark gestiegen. Jede Ankündigung neuer Wirtschaftsprogramme ließ die Rate nach oben schnellen.

Von Christian Weber

Die Sparmaßnahmen sowie soziale und gesellschaftliche Folgen der Finanzkrise könnten dafür verantwortlich sein, dass sich in Griechenland die Zahl der Suizide deutlich erhöht hat. Das berichtet ein internationales Forscherteam um den Epidemiologen Charles Branas von der University of Pennsylvania School of Medicine im Fachmagazin British Medical Journal Open (online). Die Autoren beziehen sich auf Daten der nationalen Suizidstatistik, die von 1983 bis 2012 monatlich erhoben wurden.

Einen ersten abrupten und anhaltenden Anstieg der Suizide von Männern um 13 Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt gab es der Analyse zufolge im Oktober 2008, als die Rezession begann und es zu zahlreichen gewalttätigen Protesten kam. Einen noch stärkeren Ausschlag von 36 Prozent gab es im Juni 2011, als die Regierung weitere harte Sparmaßnahmen verkündete, worauf landesweite Streiks folgten. Diesmal betraf der Anstieg Männer und Frauen. "Die Suizide erfolgten immer unmittelbar auf die Ankündigung staatlicher Wirtschaftsprogramme", sagt Studienautor Branas. "Die höchsten Zahlen wurden 2012 erreicht, als die Sparmaßnahmen und die öffentliche Empörung ihren Höhepunkt erreichten."

Bei der Bewertung der Statistik ist zu beachten, dass im langjährigen Durchschnitt in Griechenland 25,2 Männer und 6,7 Frauen im Monat Suizid begehen, ein im europäischen Vergleich niedriger Wert. Wenige zusätzliche Fälle können also starke prozentuale Schwankungen verursachen. Andererseits: Die Forscher konnten bei insgesamt zwölf Krisen-Ereignissen im Land eine Korrelation mit den Suizidzahlen nachweisen. Für die These der Autoren sprechen außerdem andere Erhebungen, etwa eine Analyse britischer Autoren, die im Sommer 2014 veröffentlicht wurde. Demnach zeigen WHO-Daten aus 24 EU-Ländern und Nordamerika, dass es seit Ausbruch der Finanzkrise 10 000 zusätzliche Suizidopfer gegeben habe.

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