Gesundheitsrisiko Schnellstraße:Adern unter Druck an der Autobahn

Studie zu Verkehr 2040

Verkehrsadern, die Städte durchschneiden - wie hier in Berlin - tun den menschlichern Adern nicht gut.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Je näher ein Mensch an einer Autobahn wohnt, desto höher steigt sein Blutdruck. Das hinterlässt Spuren in den Blutgefäßen: Sie altern bei den direkten Anrainern deutlich schneller.

Von Werner Bartens

Der Aspekt der Gesundheitsvorsorge im Schaffen von AC/DC ist bisher zu wenig berücksichtigt worden. Wie sonst soll die Liedzeile "Highway to Hell" der Hardrock-Band verstanden werden, wenn nicht als Warnung vor den mannigfaltigen Gefahren für Leib und Leben, die an stark befahrenen Straßen drohen? Amerikanische Mediziner zeigen im Journal of the American Heart Association an diesem Donnerstag nun deutlich die Risiken auf. Demnach steigt der Blutdruck umso stärker an, je näher man an Autobahnen und anderen viel frequentierten Straßen wohnt.

Nun wissen Makler wie Wohnungssuchende, dass bei der Standortwahl vor allem drei Kriterien zählen: Lage, Lage und Lage. Welche Bedeutung dem richtigen Abstand zu großen Straßen zukommt, belegen Gregory Wellenius und sein Team von der Brown University auf eindrucksvolle Weise. Die Wissenschaftler hatten Lebensgewohnheiten, Blutwerte und Blutdruckschwankungen von mehr als 5400 Frauen aus der Region San Diego untersucht. Dabei zeigte sich, dass Personen, die weniger als 100 Meter von einer stark befahrenen Straße entfernt wohnten, ein um 22 Prozent erhöhtes Risiko für hohen Blutdruck gegenüber jenen aufwiesen, bei denen mindestens 1000 Meter zwischen der Autobahn und den eigenen vier Wänden lagen. Wer zwischen 100 und 200 Meter vom rauschenden Verkehrsstrom entfernt lebte, war immerhin noch um 13 Prozent stärker gefährdet. Mit zunehmender Entfernung sank das Risiko kontinuierlich.

"Wir müssen uns aus gesundheitlichen Gründen mehr Gedanken machen, wie wir unser urbanes Umfeld gestalten, wie wir unsere Städte weiterentwickeln und wo Verkehrswege geplant werden", sagt Gregory Wellenius. "Mancherorts entstehen Wohnzentren und Geschäfte in direkter Nähe zu Highways und Stadtautobahnen. Die medizinischen Folgen sollten wir nicht aus dem Blick verlieren."

Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass die unmittelbaren Anwohner großer Verkehrstrassen, wie sie das Ruhrgebiet durchschneiden oder strahlenförmig ins Zentrum von Metropolen wie Berlin, Hamburg, München, Köln oder Frankfurt führen, diversen Gefahren ausgesetzt sind.

So erleiden Menschen, die nahe an der Stadtautobahn leben, früher und häufiger Herzinfarkt und Schlaganfall. Außerdem zeigen sie eher Symptome von chronischem Stress, was mit einer permanent hochregulierten Alarmreaktion des Körpers einhergeht - und auf Dauer zu Krankheiten führen kann. Forscher aus München haben sogar gezeigt, dass Heuschnupfen und Allergien bei Anwohnern des Mittleren Rings, Münchens kreisförmiger Stadtautobahn, heftiger auftreten als bei Bewohnern des ländlichen Raums. Allergieauslösende Pollen, wie von Bäumen oder Gräsern, sind mit mehr Schadstoffen belastet und daher aggressiver.

Aus den Daten der aktuellen Untersuchung konnten die Forscher nicht ableiten, ob das Blutdruckrisiko der Anwohner durch Lärm, Giftstoffe in der Luft oder die Unruhe an den Straßen erhöht war. Um die Folgen deutlich zu machen, wählt Wellenius ein anschauliches Bild: "Kreislauf und Blutgefäße der direkten Anrainer waren mindestens zwei Jahre vorgealtert im Vergleich zu jenen, die weit genug weg wohnten."

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