Gesundheit:Sollte man sich jetzt noch gegen Grippe impfen lassen?

Grippeschutzimpfung

Wie sinnvoll ist eine Grippeimpfung?

(Foto: dpa)

In Deutschland grassieren Husten, Schnupfen, Fieber. Viele Ärzte raten ihren Patienten zur Impfung. Doch Experten äußern Zweifel.

Von Werner Bartens

Wenig ist besser als nichts. Dieses Motto muss man wohl dem Robert-Koch-Institut (RKI) unterstellen, das angesichts der in dieser Saison besonders heftigen Grippewelle akut zur Impfung aufruft. Mehr als 43 000 Erkrankungen und 126 Todesfälle durch die Influenza hat die zentrale Behörde zur Krankheitsüberwachung gerade gemeldet - so viele gab es schon seit Jahren nicht mehr.

Im Süden und Westen sind die Praxen voll, der Krankenstand ist hoch. Nur der Norden ist bisher weitgehend verschont geblieben. "Es gibt zwar bessere Zeitpunkte, aber wir raten derzeit dennoch zur Impfung", sagt Susanne Glasmacher vom RKI. "Besonders chronisch Kranke, Ältere und Schwangere sollten sich schützen."

Zwar dauert es etwa zwei Wochen, bis die Impfung einen gewissen Schutz vor den Viren bieten kann, "aber in 14 Tagen ist die Grippewelle ja noch nicht vorbei", sagt Glasmacher. Im Durchschnitt dauert der saisonale Schub im Herbst, Winter oder Frühling zwischen zwölf und 16 Wochen. Derzeit wird die achte Woche der Erkrankungswelle notiert.

Das Problem bei der Impfung ist nicht nur der Zeitpunkt, sondern vor allem ihre schlechte Wirksamkeit. Von allen Personen, die den Wirkstoff erhalten, sind im Durchschnitt nur 40 Prozent geschützt; in der wichtigen Gruppe der Älteren sogar nur 25 bis 30 Prozent. Im Vorjahr lag der Impfschutz lediglich bei 15 Prozent. "Wir haben uns von sehr niedrig auf ein niedriges Niveau gesteigert und sind besser als letzte Saison", sagt Glasmacher.

"Der Nutzen ist unklar, in vielen Studien finden sich keine oder nur geringe Vorteile"

Die bescheidene Wirkung des Impfstoffs ist ein Grund, warum viele Ärzte und Forscher, die sonst Impfungen befürworten, bei der Grippe-Impfung skeptisch sind. "Der Nutzen ist unklar, in vielen Studien finden sich keine oder nur geringe Vorteile für die Menschen", sagt etwa die Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg. "Außerdem nimmt gerade im Alter, wenn die Menschen am ehesten gefährdet sind, der Impfschutz ab."

In Studien drängt sich zudem der Eindruck auf, dass der mickrige Impfschutz auch nur bei denen auftritt, die sich sowieso gesundheitsbewusst verhalten, eher zum Arzt gehen und deshalb weitgehend von Symptomen verschont bleiben. Susanne Glasmacher vom RKI will nichts beschönigen: "Wir wissen, dass die Impfung nicht optimal ist, aber immerhin bietet sie ein wenig Schutz. Zudem verläuft die Krankheit milder, wenn jemand trotz Impfung erkrankt", sagt sie. "Droht ein Wolkenbruch, nehme ich ja auch den alten Schirm, obwohl er löchrig ist."

Der schlechte Impfschutz geht auf Launen der Biologie zurück, Influenza-Viren verändern sich stets. Jedes Jahr im Februar gibt die Weltgesundheitsorganisation eine Impfstoffempfehlung für den kommenden Herbst heraus. Das hat etwas von Kaffeesatzleserei: Womöglich haben sich die Viren bis dahin längst so verwandelt, dass die Impferei ins Leere läuft. Der lange Vorlauf lässt sich jedoch nicht umgehen, weil die Produktion aufwendig ist. Die Menschen haben aus dieser Unsicherheit ihre Schlüsse gezogen. Von den Älteren sind gerade mal 30 Prozent gegen Grippe geimpft, von den Jüngeren noch weitaus weniger.

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