Entzündung am Blinddarm:Antibiotika statt Skalpell

Die Beschwerden bei einer "Blinddarmentzündung" sind bisweilen dramatisch. Trotzdem reichen oft Antibiotika, um die Patienten zu heilen. Mediziner fordern: Die Routine, immer gleich zu operieren, muss überdacht werden.

Von Werner Bartens

Bei "Blinddarmentzündung" können Medikamente eine sinnvolle Alternative sein. Die Beschwerden sind zwar mitunter dramatisch, trotzdem muss es nicht immer zur Operation kommen. Schließlich wird bei einer unkomplizierten Appendizitis ein Großteil der Patienten auch ohne chirurgischen Eingriff geheilt. Die Gabe eines Breitspektrum-Antibiotikums reicht in vielen Fällen. Zu diesem Ergebnis kommen finnische Ärzte im Journal of the American Medical Association (Bd. 313, S.2340, 2015).

Die Mediziner um Paulina Salminen untersuchten 530 Erwachsene, die mit akuten Beschwerden ins Krankenhaus gekommen waren und bei denen sich der Verdacht auf "Blinddarmentzündung" in der Computertomografie bestätigte. Medizinisch korrekt ist die Bezeichnung Blinddarm nicht, vielmehr ist das Anhängsel des Blinddarms - der Wurmfortsatz - entzündet.

Nach dem Zufallsprinzip wurden die Kranken in zwei Gruppen eingeteilt. Die Hälfte der Patienten wurde operiert, die andere Hälfte bekam zunächst drei Tage intravenös und dann für weitere sieben Tage oral ein Antibiotikum. In der Gruppe, die akut nicht unters Messer kam, mussten 73 Prozent der Patienten weder in den nächsten Tagen noch im folgenden Jahr operiert werden. "Das zeigt klar, dass Patienten abwägen und sich zwischen der Operation und der medikamentösen Therapie entscheiden können", sagt Salminen.

Die Ärzte betonen allerdings, dass ihre Ergebnisse zunächst für Erwachsene gelten und entsprechende Daten für Kinder noch nicht abgesichert sind. Zudem müsse bei einer komplizierten Appendizitis fast immer operiert werden, also wenn sich ein Abszess gebildet hat oder eine Perforation droht und es in der Folge zu einer Bauchfellentzündung kommen kann. Für die Praxis sei es daher wichtig, besser zwischen unkomplizierten Verläufen und schwierigeren Erkrankungen zu unterscheiden.

Edward Livingston und Corrine Vons fordern in einem begleitenden Kommentar, die medizinische Routine zu überdenken, bei einer Appendizitis immer zu operieren. "Der chirurgische Eingriff hat vielen Patienten mehr als 100 Jahre lang sehr gut geholfen. Mit der Entwicklung besserer Diagnoseverfahren wie der Computertomografie und effektiven Breitbandantibiotika mag die Appendektomie aber in vielen Fällen unnötig sein", so die Mediziner. "Es zunächst mit Antibiotika zu versuchen und dann jene zu operieren, deren Zustand sich dadurch nicht verbessert hat, scheint ein vernünftiges Vorgehen zu sein."

Eine Appendizitis tritt besonders häufig bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Allerdings ist nicht jeder Schmerz im rechten Unterbauch auf einen entzündeten Wurmfortsatz zurückzuführen. In den 1980er-Jahren wurden in Deutschland noch etwa 300 000 Operationen zur Entfernung der Appendix durchgeführt. Sorgfältigere Diagnosen und verbesserte Untersuchungsmethoden haben dazu beigetragen, dass nur noch etwa 120 000 Eingriffe im Jahr vorgenommen werden.

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