Gentechnik-Label:Pauschales Anprangern nützt nichts

Forscher und Politiker wollen gentechnisch veränderte Produkte umfassender deklarieren. Doch dazu bräuchte es differenzierte Beschreibungen, ansonsten wird das Label zur Blendgranate.

Ein Kommentar von Hanno Charisius

Am kommenden Dienstag will sich eine Gruppe "prominenter Persönlichkeiten", wie es in einer Pressemitteilung heißt, mit einer Petition an den Deutschen Bundestag richten. "Die Forderung lautet, alle mit der Gentechnik in Berührung gekommenen Lebens-, Arznei-, Futter-, Wasch- und Reinigungsmittel sowie Baumwoll-Textilien als solche auf der Verpackung zu kennzeichnen." So wollen die beteiligten Wissenschaftler, Verbraucherschützer, Politiker sowie Agrarfunktionäre und Wirtschaftsvertreter für mehr Transparenz im Supermarkt sorgen, denn: "Gentechnik ist insbesondere in Deutschlands Lebensmitteln längst Alltag."

Nach geltendem Gesetz müssen derzeit nur wenige Produkte als "gentechnisch verändert" gekennzeichnet werden, nämlich solche, die entweder selbst gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind oder aus solchen bestehen. Öl aus gentechnisch veränderten Sojabohnen oder Raps muss gekennzeichnet werden. Fleisch oder Milch von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden, brauchen ein solches Label hingegen nicht. Verarbeitete Lebensmittel, die Zutaten wie Vitamine oder andere Zusatzstoffe aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen enthalten, dürfen ebenfalls ohne Kennzeichnung verkauft werden.

Eine zu pauschale Kennzeichnung auf der Packung wirkt wie eine Blendgranate

Verbraucherrechtler stimmen überein, dass die geltende Regelung unzureichend ist. Doch kann der neue Vorstoß daran etwas ändern? Das hängt davon ab, was nach Vorstellung der Petenten zukünftig gekennzeichnet werden soll. Eine Erklärung für jede einzelne Zutat auf der Rückseite würde eine differenzierte Entscheidung der Verbraucher ermöglichen. Würde jedoch ein Symbol vorne auf die Packung gedruckt, wenn nur bei einer Zutat irgendwo in der Produktion Gentechnik zum Einsatz kam, wäre das wie eine Blendgranate, die verhindert, dass man sich ein klares Bild darüber machen kann, welche Art von Gentechnik und wie viel davon im Schnitzel, in der Schokolade, im Joghurt, im Brot oder auch im Waschmittel steckt.

Gentechnik im Labor und Gentechnik auf dem Acker sind verschiedene Anwendung der gleichen molekularbiologischen Methoden, deren Folgen ganz unterschiedlich bewertet werden müssen. Damit der Verbraucher wirklich Entscheidungsfreiheit bekommt, muss eine Kennzeichnung diese Unterschiede berücksichtigen. Käme es allerdings tatsächlich irgendwann zu einer so differenzierten Kennzeichnung, wäre das eine echte Herausforderung für den Verbraucher. Der müsste dann ziemlich genau auf die Zutatenliste schauen und unterscheiden lernen, welche Art von Gentechnik da auf seinem Teller landen könnte.

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