Genforschung:Ursache für fehlendes Schmerzempfinden gefunden

Was sich mancher schmerzgeplagte Patient ersehnt, ist für die Betroffenen ein Fluch: Sie empfinden bei Verletzungen keine Schmerzen. In einigen dieser Fälle haben Forscher nun eine Mutation als Ursache ermittelt.

Wenn Menschen keinen Schmerz spüren, kann das an einer Genmutation liegen. Die Veränderung des Gens SCN11A führe zu einer Überfunktion eines Natriumkanals in der Hülle von Nervenzellen, erläuterte Enrico Leipold von der Universität Jena. Er hat die Ergebnisse zusammen mit Kollegen aus Deutschland und dem Ausland im Fachmagazin Nature Genetics veröffentlicht. "Dadurch wird die Nervenzelle überlastet, kann sich nicht mehr regenerieren und wird in ihrer Funktion gelähmt." Die betroffenen Zellen sitzen im Rückenmark und damit an der Schaltstelle für die Weiterleitung von Schmerzsignalen an das Gehirn.

Ausgangspunkt für die Wissenschaftler war der Fall eines damals vier Jahre alten Mädchens, das laut Leipold völlig schmerzfrei war. Bei ihm stießen die Forscher auf diese Mutation.

In einem zweiten Schritt wurden Mäuse entsprechend genetisch verändert und im Labor untersucht. "In Experimenten konnten wir genau zeigen, wie sich die Funktion der Nervenzelle durch diese Mutation ändert", sagt Leipold.

Der Befund sei überraschend gewesen. Denn die Überfunktion des Kanals hätte eigentlich das genaue Gegenteil erwarten lassen, sagte der Wissenschaftler. "Ähnliche Erkrankungen, denen eine solche Überfunktion zugrunde liegt, führen bei Patienten ausnahmslos zu einer erhöhten Schmerzwahrnehmung."

Die Suche nach weiteren Betroffenen hat die Wissenschaftler zu einem schwedischen Jungen geführt, bei dem dieselbe Mutation gefunden wurde. Die Genveränderung sei spontan aufgetreten und konnte bei den Eltern der Kinder nicht entdeckt werden; allerdings werde sie laut Leipold an Kinder der Betroffenen vererbt.

Die Forscher hoffen, dass mit den Erkenntnissen Medikamente entwickelt werden können, die diesen Natriumkanal gezielt ausschalten können. "Was wir hier lernen können, lässt sich zum Teil auf andere Krankheiten anwenden", erklärt Leipold. Für die Schmerztherapie könnten die Erkenntnisse ebenfalls interessant sein. Leipold: "Das wird aber nur als Anwendung für sehr harte Fälle infrage kommen."

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