Fischöl zur Infarkt-Vorbeugung:Fruchtloser Tran

Millionen Menschen schlucken täglich schlecht schmeckende Fischölkapseln, um sich vor Herzinfarkt und Schlaganfall zu schützen. Eine Meta-Analyse entlarvt dieses Ritual nun als nutzlos. Doch was ist mit Fischmahlzeiten?

Werner Bartens

Manche der Kapseln schmecken grausam, außerdem muss man danach fischig aufstoßen. Aber sie sollen ja auch nicht als kulinarische Köstlichkeit dienen, sondern der Gesundheit. Wer regelmäßig Fischölkapseln zu sich nimmt, so der Volksglaube wie auch die Empfehlung etlicher medizinischer Fachgesellschaften, schützt sich vor Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen Leiden des Kreislaufsystems. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren tragen demnach dazu bei, dass Blutgefäße nicht so schnell verkalken und weniger böses Cholesterin durch die Adern flutet. Millionen Menschen weltweit schlucken vorbeugend die Kapseln. Leider könnte sich ihr tägliches Ritual als nutzlos erweisen.

Ärzte um Evangelos Rizos zeigen im Journal of the American Medical Association, das an diesem Mittwoch erscheint: Menschen, die um ihr Herz besorgt sind, bringt es nichts, die auch als Omega-3-Fettsäuren bezeichneten Präparate einzunehmen. "Unsere Ergebnisse rechtfertigen nicht den täglichen Gebrauch dieser Nahrungsergänzungsmittel und widersprechen auch den Empfehlungen vieler medizinischer Fachgesellschaften", schreiben die Autoren.

Frühere Studien zum Nutzen der Fischölkapseln fielen unterschiedlich aus; kleinere Untersuchungen entdeckten Vorteile, weswegen Ärzte immer wieder zu den Präparaten rieten. In Deutschland werden allein die beiden Mittel, die führend auf dem Markt sind, mehr als hunderttausend mal pro Jahr verordnet; hinzu kommen die frei verkäuflichen Präparate. Im Mai dieses Jahres haben Forscher Daten veröffentlicht, die zeigen, dass Herzpatienten durch Fischöl nicht vor weiteren Infarkten geschützt sind. Um in strittigen Fragen Klarheit zu gewinnen, ist eine Metaanalyse hilfreich. Dabei werden die Rohdaten aus den besten Studien untersucht und zusammengefasst; im aktuellen Fall sind Erfahrungen von 68.000 Patienten in die Auswertung eingegangen.

Die Forscher um Rizos konnten allerdings keine Vorteile des komprimierten Fettes feststellen. Weder Herzinfarkte noch Schlaganfälle noch Todesfälle waren bei jenen Patienten seltener, die regelmäßig Fischöl einnahmen. "Die Diskussion wogt seit Langem und angebliche Vorteile waren nicht überzeugend belegt", sagt Melchior Seyfarth, Chefarzt der Kardiologie am Herzzentrum Wuppertal. "Die Empfehlung wurde auch aus Erkenntnissen über die vermeintliche Gefäßgesundheit von Eskimos abgeleitet."

Ernährungsexperten und Kardiologen sind sich dennoch einig, dass zweimal in der Woche Fisch statt Fleisch gesund für Herz und Gefäße ist. Womöglich verhält es sich mit den neuen Daten zu Fischöl ähnlich wie mit jenen Erkenntnissen, die über Vitamine bekannt sind: Während Vitamine in allem, was natürlich gewachsen ist - sei es Obst, Gemüse, Getreide oder Fleisch - gesund sind, schaden Vitaminpräparate mehr als dass sie nutzen. Ein Apfel enthält tausend Substanzen, ein Multivitaminpulver hingegen nur ein gutes Dutzend. Gesund sind offenbar nicht die Einzelsubstanzen im Pulver, sondern die natürlich abgestimmten Wechselwirkungen der Stoffe. Auch die gesundheitsfördernde Eigenschaft von Fisch lässt sich offenbar nicht einfach isolieren und in Kapseln pressen.

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