Exotische Krankheiten:Gefährliche Reisemitbringsel

Viren wandern um die Welt - auch dank der wachsenden Mobilität von Menschen und Insekten. Durch den Klimawandel verbreiten sich exotische Infektionen inzwischen auch in Europa. Laut Robert-Koch-Institut müssen wir sogar mit neuen Viren rechnen, von denen wir bisher überhaupt nichts wissen.

Katrin Blawat

Tigermücke überträgt Dengue-Fieber - neuer Impfstoff

Die Tigermücke zählt zu den Überträgern des Dengue-Fiebers. Die aus Asien stammende aggressive Mücke sticht auch tagsüber und breitet sich inzwischen in Nordamerika und Europa aus.

(Foto: dpa)

Zuerst sterben die Vögel, dann erkranken die Menschen - manche von ihnen ebenfalls tödlich. Diesen Lauf der Dinge lernten die Amerikaner im Jahr 1999 kennen, als im New Yorker Central Park tote Krähen von den Bäumen fielen. Vermutlich war kurz zuvor ein Insekt in einem Flugzeug aus Israel in die USA gereist: eine Mücke, die das West-Nil-Virus in sich trug. Ursprünglich war das ein exotischer Erreger, erstmals identifiziert 1937 bei einer Frau in Uganda. Inzwischen aber hat sich das Virus eingebürgert in den USA. Dieses Jahr wütet es besonders schlimm: Gut 3100 Menschen haben sich nach Angaben der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC bislang infiziert, etwa 1600 die gefürchteten neurologischen Symptome entwickelt, und mehr als 130 sind gestorben.

Der derzeitige Ausbruch des West-Nil-Virus in den USA zeigt eindrücklich: Längst müssen auch Menschen in westlichen Ländern mit exotischen Infektionen rechnen. Das gilt nicht nur für die USA. Am West-Nil-Virus erkranken auch Menschen in Österreich, Italien, Spanien und vielen osteuropäischen Ländern. Allerdings haben sich die meisten der dort Erkrankten nicht in ihren Heimatländern infiziert, sondern den Erreger von Reisen mitgebracht. Aus Deutschland sind bislang nur wenige solcher Einzelfälle bekannt. Doch sei es nur eine Frage der Zeit, bis sich das Virus auch in Deutschland verstärkt bemerkbar mache, vermuten Experten.

Europäische Touristen erkranken an Dengue-Virus

Neben dem West-Nil-Virus gibt es eine Reihe weiterer Erreger, die zumindest zeitweise den Sprung aus den Tropen nach Europa und in die USA schaffen. Das Dengue-Virus gehört inzwischen für viele europäische Touristen zu den unangenehmen Begleiterscheinungen ihrer Asien-, Afrika- oder Südamerikareisen. In diesem Jahr erkrankten dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge bislang mehr als 300 Menschen in Deutschland an Dengue-Fieber. Anfang September ist ein Mann in Griechenland gestorben, der sich das Virus vermutlich im eigenen Land eingefangen hat. Dies wäre der erste derartige Fall in Griechenland seit mehr als 80 Jahren.

Noch exotischer muten Krim-Kongo- und Chikungunya-Viren an. Letztere sind meist ein Mitbringsel aus Indien oder Indonesien. Viele Europäer erfuhren 2007 zum ersten Mal von diesem Erreger, als etwa 200 Norditaliener an ihm erkrankten. Ein Indienreisender hatte das Chikungunya-Virus in die Provinz Ravenna gebracht. Inzwischen sind auch zwei Fälle aus Frankreich bekannt, in denen sich die Patienten in Europa selbst angesteckt hatten. "Wenn sich die Überträgermücken in Deutschland festsetzen, ist es möglich, dass sich Menschen mit diesen Erregern auch in Deutschland infizieren", sagt Klaus Stark, RKI-Experte für tropische Infektionen.

Denn die Mücken sind es, die solche Viren verbreiten: Einige Arten können West-Nil-, Dengue- und Chikungunya-Viren übertragen, wenn sie erst an einem infizierten Tier oder Mensch Blut saugen und dann ihr nächstes Opfer stechen. Dabei sind in manchen Fällen Tiere wie Vögel die eigentlichen Wirte der Erreger. Der Mensch rutscht sozusagen nur zufällig mit hinein, weil er den Mücken nun einmal ebenfalls als Nahrungsquelle dient.

Wachsende Mobilität ist problematisch

Das eigentliche Problem aber liegt in der wachsenden Mobilität der Menschen - und damit auch der Insekten. Im Frachtgut oder mit Touristen reisen die Asiatische Tigermücke oder der Japanische Buschmoskito aus ihren Heimatländern nach Europa. So führt der zunehmende Verkehr über Kontinentgrenzen hinweg auch zur Globalisierung der Krankheiten.

Haben die Mücken es bis in die gemäßigten Zonen geschafft, kommt ihnen der Klimawandel zugute. Höhere Temperaturen erleichtern es sowohl den Insekten als auch den Viren, sich in kurzer Zeit zu vermehren. Dabei profitieren die Mücken manchmal sogar von scheinbar nachteiligen Bedingungen. So vermuten Forscher, dass gerade die extreme Dürre in den USA in diesem Sommer die Verbreitung des West-Nil-Virus begünstigt hat. Die wenigen verbliebenen Feuchtstellen bringen die Mücke dazu, sich auf engem Raum zu konzentrieren. Auch Experimente der amerikanischen Seuchenschutzbehörde haben gezeigt, welche Folgen höhere Temperaturen haben können. Bei 17 Grad dauerte es im Versuch 30 Tage, bis eine infizierte Mücke das West-Nil-Virus weitergab. Betrug die Lufttemperatur 30 Grad, reichten dafür fünf Tage.

"Voraussetzungen für Dengue- und Chikungunya-Infektionen sind eine hohe Mückendichte auch in Siedlungsgebieten sowie infizierte Menschen, die die Viren einschleppen", sagt Stark. "Beim West-Nil-Virus spielen zusätzlich Wirtstiere wie Vögel eine Rolle, in denen sich die Erreger vermehren können. Vereinzelte Infektionen in den nächsten Jahren auch in Deutschland sind nicht ausgeschlossen." Allerdings würden sich wohl weder Dengue- noch Chikungunya-Viren dauerhaft in Deutschland festsetzen können. "Die Überwachung der Mücken, das gut funktionierende Gesundheitssystem und die klimatischen Verhältnisse verhindern das", sagt Stark.

Forscher setzen auf Impfstoffe statt Therapie

Auf eine Therapie, die an den Ursachen der Infektion ansetzt, können Patienten mit Dengue- oder West-Nil-Fieber nicht hoffen. Denn die Beschwerden entstehen weniger durch das Virus selbst als durch die überschießenden Reaktionen des Körpers, mit denen er den Erreger zu bekämpfen versucht. Statt auf eine kausale Therapie setzen Pharmafirmen daher auf die Entwicklung von Impfstoffen. Für Gelbfieber ist ein solcher bereits vorhanden, weshalb diese Infektion nur noch sehr selten bei Reisenden auftritt. Auch an einer Impfung gegen das Dengue-Virus versuchen sich derzeit mehrere Unternehmen. Doch der Erreger ist schwer zu schlagen, denn er tritt in vier verschiedenen Varianten auf: Damit eine Impfung wirksam ist, muss sie gegen alle vier schützen. Das aber schafft auch jenes Vakzin nicht, das die Firma Sanofi Pasteur derzeit entwickelt. Die Substanz schützt nur gegen drei der vier Varianten, wie eine Studie mit gut 4000 thailändischen Kindern gezeigt hat. Infiziert sich ein Mensch trotz der Impfung mit jener Variante, gegen die er nicht geschützt ist, könnte er sogar schwerer erkranken als ein Ungeimpfter, warnt Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Immerhin kennen er und seine Kollegen das Dengue-Virus inzwischen recht gut - anders als die meisten anderen Erreger, die dem Menschen möglicherweise ebenfalls gefährlich werden können. "Wir müssen damit rechnen, dass wir noch Viren entdecken werden, von denen wir bisher überhaupt nichts wissen", sagt RKI-Experte Stark.

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