Ebola:Ein einzelner Impfstoff ist nicht entscheidend

Ebola: An Tausenden Menschen wurde der kanadische Impfstoff getestet.

An Tausenden Menschen wurde der kanadische Impfstoff getestet.

(Foto: AP)

Endlich halten Forscher einen wirksamen Impfstoff gegen Ebola in Händen. Doch für den globalen Schutz vor Seuchen braucht es mehr.

Ein Kommentar von Kai Kupferschmidt

Null zu 16! Es klingt wie der Endstand einer fulminanten Fußballpartie, doch hinter diesen zwei Ziffern verbirgt sich etwas viel Bedeutsameres: Wie am Freitagnachmittag in Genf bekannt wurde, halten Forscher erstmals Belege dafür in der Hand, dass sich die Welt künftig mit einem Impfstoff gegen Ebola schützen kann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO, Ärzte ohne Grenzen, das norwegische Gesundheitsministerium und anderen haben die experimentelle Vakzine VSV-EboV in den vergangenen Monaten in Guinea getestet.

Das Konsortium wählte eine Ringimpfung als Strategie. Das Verfahren hatte im vergangenen Jahrhundert dazu beigetragen, die Pocken auszurotten: Sobald ein Kranker erkannt ist, werden direkte und indirekte Kontakte ausfindig gemacht, Nachbarn, Freunde, Bekannte. Dieser "Ring" um den Kranken wird dann geimpft. In der nun in Lancet veröffentlichten Studie fand die Impfung entweder sofort oder erst nach 21 Tagen statt. Der erste Vergleich der beiden Gruppen zeigt: Gibt man dem Impfschutz zehn Tage, um sich zu entwickeln, ist er hochwirksam. Keiner der 2014 Menschen, die sofort geimpft wurden, erkrankte an Ebola. Von den 2380 Menschen aus der zweiten Gruppe steckten sich 16 Menschen mit dem Erreger an.

Zehn Tage nach der Impfung waren die Menschen geschützt. Keiner steckte sich mehr an

Null zu 16, also. Es ist ein Hoffnungsschimmer in einer düsteren Zeit. Mehr als 27 000 Menschen sind seit vergangenem Jahr in Westafrika an Ebola erkrankt, mehr als 11 000 Infizierte gestorben. Hunderte Ärzte und Krankenschwestern haben ihr Leben gelassen. Ganze Familien sind ausgelöscht. Und noch immer stecken sich Menschen an. Die Wunden werden Jahre brauchen, um zu verheilen.

Der Gedanke, dass aus all diesem Leid auch etwas Positives erwächst, mag dabei tröstlich wirken. Doch der nun greifbare Sieg gehen Ebola ist nur ein Etappenziel. Unzählige Viren, bekannte und unbekannte, könnten schon morgen die nächste katastrophale Kettenreaktion in Gang setzen. Ein einzelner Impfstoff ist daher nicht entscheidend. Entscheidend wird sein, dass die Weltgemeinschaft eine Reform der WHO beginnt.

Die UN-Organisation hat bei Ebola zu spät und zu schwach reagiert. Sie braucht die Macht, Regeln nicht nur aufzustellen, sondern auch durchzusetzen. Sie braucht mehr Geld, um Krankheitsausbrüche noch in ärmsten Ländern früh erkennen und bekämpfen zu können. Und sie braucht eine neue Kultur und eine neue Führung. Der Vorschlag, dem Generaldirektor der WHO künftig nur eine Amtszeit zu gewähren, wäre ein erster Schritt. Es liegt an den Mitgliedsstaaten, die zahlreichen Reformvorschläge jetzt umzusetzen. Das Ergebnis würde mehr Schutz bieten als jeder noch so sehr herbeigesehnte Impfstoff.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: