Diabetes-Risiko:Kurze Nächte, dickes Ende

Eine niederländische Studie zeigt: Schlafmangel macht nicht nur müde - er kann auch die Neigung zu Diabetes erhöhen und Übergewicht fördern.

Werner Bartens

Eine schlechte Nacht bereuen manche Menschen ihr Leben lang. Meist geht es dabei um die falsche Gesellschaft zur falschen Zeit.

Schlaf Schlafmangel Diabetes , ddp

Im Westen schlafen die Menschen immer kürzer - das erhöht offenbar das Diabetesrisiko.

(Foto: Foto: ddp)

Eine schlechte Nacht kann aber auch andere unangenehme Folgen haben - und zwar für die Gesundheit. Ein Ärzteteam um Esther Donga von der Universität Leiden beschreibt im Fachblatt Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism (online) vom heutigen Donnerstag, dass Schlafmangel die Neigung zu Diabetes mellitus verstärken könnte.

"Die Schlafdauer hat sich in den westlichen Gesellschaften in den vergangenen Jahren immer mehr verkürzt und Diabetes wie auch eine erhöhte Insulinresistenz sind häufiger geworden", sagt Donga. "Womöglich ist es daher kein Zufall, dass die beiden Phänomene zusammenkommen."

Die niederländischen Wissenschaftler hatten an gesunden Freiwilligen untersucht, wie sich ein Schlafdefizit auf den Zuckerhaushalt auswirkt.

In der ersten Phase des Versuchs schliefen die Teilnehmer nachts die üblichen acht Stunden. In der zweiten Phase bekamen sie hingegen nur vier Stunden Schlaf.

Zur Überraschung der Forscher genügte eine einzige Nacht mit Schlafmangel, um die Insulinresistenz der Betroffenen gleich um 19 bis 25 Prozent zu erhöhen.

Insulin ist ein Hormon aus der Bauchspeicheldrüse, das die Aufnahme des Zuckers aus dem Blut in die Zellen anregt. In der Vorphase einer Diabetes-Erkrankung und erst recht beim manifesten Leiden ist die Insulinresistenz erhöht. Der Glukosespiegel im Blut steigt, aber der Zucker gelangt kaum noch in die Zellen.

"Unsere Untersuchung zeigt, dass die Insulinsensitivität auch bei Gesunden offenbar nicht eindeutig festgelegt ist, sondern auch von der Schlafdauer in der vorausgegangenen Nacht abhängt", sagt Donga.

"Wir finden sogar die Spekulation reizvoll, dass sich die Folgen eines chronischen Schlafmangels in nur einer Nacht - zumindest teilweise - reproduzieren lassen."

Schlaf, Blutzucker und Insulin

Dass sich ein gestörter und verkürzter Schlaf negativ auf den Zuckerstoffwechsel und damit auch auf eine Neigung zu Diabetes und Übergewicht auswirken kann, gilt mittlerweile als gesichert.

2009 hatte Naresh Punjabi von der Johns Hopkins University in Baltimore in einem Übersichtsbeitrag für das Fachmagazin Drugs mehr als 80 Artikel ausgewertet, in denen der Zusammenhang von Schlaf, Blutzucker und Insulin beschrieben wurde.

Demnach ist der Schlaf nicht nur ein Zustand des passiven Stoffwechsels, sondern ein wichtiges Regulativ für ausgeglichene Hormonspiegel und andere physiologische Vorgänge. Im Wachzustand ist beispielsweise der Transport des Zuckers aus dem Blut in die Zellen am stärksten ausgeprägt, während des Schlafs ist er am niedrigsten.

Mangelnder Schlaf stört Regulation der Hormone

"Etliche Hormone wie Cortisol und das Wachstumshormon weisen ebenfalls einen Tagesrhythmus auf", sagt Felix Beuschlein, Hormonexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

"Ein gestörter Schlaf kann die fein abgestimmte Regulation der verschiedenen Hormone empfindlich stören." Cortisol und Wachstumshormon erhöhen den Blutzuckerspiegel.

Im Schlaf ist die Konzentration der beiden Hormone erniedrigt, am frühen Morgen sowie zu jeder Zeit nach dem Wecken steigt sie an - und davon abhängig erhöht sich auch die Zuckerkonzentration im Blut und damit ebenfalls die potentielle Diabetesneigung.

"Nach einem Transatlantikflug oder einem Nachtdienst dauert es mehrere Tage, bis sich der übliche Rhythmus der Hormone wieder eingependelt hat", sagt Beuschlein.

Der Endokrinologe hält die Studienergebnisse aus den Niederlanden für plausibel, auch wenn der kausale Zusammenhang und die molekularen Mechanismen den Forschern noch unklar sind.

"Der Umkehrschluss für den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und Blutzuckeranstieg gilt allerdings keineswegs - mit einer Schlaftablette kann man keinen Diabetes heilen", sagt Beuschlein.

Womöglich bietet ein geruhsamer und ausreichender Schlaf jedoch ein wenig Hoffnung für jene Menschen, die Probleme mit ihrer Figur haben. Verschiedene Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass gesunde Freiwillige vor allem morgens mehr essen, wenn sie weniger geschlafen haben als sonst.

Auch hier sind es vermutlich aus der Balance geratene Konzentrationen der Hormone, die den Appetit anregen und die Energiezufuhr steigern. Während belegt ist, dass zu wenig Schlaf dick machen kann, spricht leider wenig dafür, dass sich Fettleibige mit ausreichend Schlaf eine Diät sparen könnten - auch wenn populäre Ratgeber wie "Schlank im Schlaf" anderes suggerieren.

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