Depressionen:Wartezeiten, Quacksalber, ungebetener Rat

Splitter schweren Leids: Tausende Menschen schreiben auf Twitter, wie sich eine Depression anfühlt. Hilflosigkeit ist eines der hervorstechenden Gefühle, Einsamkeit ein anderes. Wo Betroffene Hilfe finden und was den Seelenschmerz verschlimmert.

Von Berit Uhlmann

Keine Depression ist wie die andere. Dennoch machen viele Erkrankte ähnliche Erfahrungen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Depression.

Was unterscheidet eine Depression von Traurigkeit?

Traurigkeit, so schmerzhaft sie sein kann, ist eine normale menschliche Reaktion. Eine Depression dagegen ist eine Krankheit. Sie kann auf traurige Ereignisse folgen, aber auch ohne konkreten Anlass auftreten. Zwar spüren die Betroffenen in aller Regel eine Niedergeschlagenheit, die der Trauer ähneln kann, doch sie ist nicht das einzige Symptom. Typisch sind: Leere, Interessensverlust und Antriebslosigkeit: "Es gibt Tage, an denen man To-Do Listen mit den banalsten Dingen macht. Aufstehen. Anziehen. ESSEN. Waschen", schreibt ein Twitter-Nutzer. Zur Depression gehören häufig auch Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühle, Selbstwertprobleme oder pessimistische Gedanken an die Zukunft. Ein Twitterer drückt es so aus: "Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?" - "am Boden".

Was unterscheidet die Depression vom Burnout?

Die Depression ist eine anerkannte Krankheit, der Burnout nicht. Tatsächlich dürfte hinter vielen Burnout-Fällen eine Depression stecken. Doch es klingt einfach besser, ausgebrannt zu sein, weil man ja soviel geleistet hat. Indem Betroffene sich und andere über ihre Erkrankung täuschen, schaden sie sich jedoch unter Umständen selbst. Denn das gängige Vorgehen beim Burnout - ausruhen, ausschlafen, abschalten - ist bei einer Depression nicht hilfreich. Struktur im Tagesablauf, Bewegung, Kontakte, selbst Schlafentzug sind bei einer Depression sinnvoller. Gerade schwer Erkrankte brauchen professionelle Hilfe und kein Kissen.

Warum fällt es Menschen so schwer, über ihre Depression zu sprechen?

Der Tweet zeigt recht deutlich, was Depression bedeutet: Als nicht mehr leistungsfähig zu gelten. Wer den Stempel erst einmal aufgedrückt hat, bekommt ihn so schnell nicht los. Doch nicht immer geht das Schweigen über die Erkrankung auf Unverständnis der Umgebung zurück. Es gehört oft zur Krankheit, dass Betroffene sich abschotten. Sei es aus Antriebslosigkeit oder aus dem Gefühl, anderen eine Last und nicht zumutbar zu sein: "Sich mutwillig von Personen, die man liebt, entfernen um sie zu schützen", charakterisiert ein Tweet die Depression.

Wie lange müssen Betroffene auf Hilfe warten?

Auf einen Platz beim Psychotherapeuten (hier Adressen) müssen Betroffene in einigen Teilen Deutschlands oft mehrere Monate warten. Die Bundespychotherapeutenkammer beklagt Lücken vor allem in ländlichen Regionen und Teilen Ostdeutschlands. Allerdings ist die Versorgungslage nicht überall schlecht, sodass Erkrankte nicht vorschnell resignieren sollten, wenn ein Therpeut gerade keinen Platz frei hat.

Wer nicht so lange warten kann, kann sich auch an Ambulanzen in Kliniken, psychologische Beratungsstellen oder sozialpsychiatrische Dienste wenden. Adressen kann man unter anderem beim Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe erfragen. In akuten Krisen sollten Erkrankte den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Rufnummer 116 117 oder den Notarzt unter 112 rufen.

Alternativ oder zusätzlich zu einer Psychotherapie können Patienten Antidepressiva einnehmen. Zwar können niedergelassene Psychiater oder auch Hausärzte die Medikamente rasch verschreiben, doch in vielen Fällen vergehen Wochen, ehe das Medikament wirkt. Mitunter müssen Erkrankte auch mehrere verschiedene Antidepressiva ausprobieren.

Was hilft außer Therapie und Medikamenten?

Die ärztlichen Leitlinien empfehlen in bestimmten Fällen auch Schlafentzug, die Elektrokrampftherapie und die Lichttherapie. Lindernd können Sport und Ergotherapien wirken.

Was können Angehörige tun?

Ratschläge wie: "Reiß dich zusammen", "Dir fehlt doch gar nichts", "Du bist nur zu faul!" sind kontraproduktiv, denn sie verstärken Selbstzweifel und Schuldgefühle. Selbst gut gemeinte Aufforderungen wie: "Kopf hoch, das wird schon wieder", empfinden viele Betroffene als Bagatellisierung ihres Leidens.

Die Deutsche Depressionshilfe rät Angehörigen, den Erkrankten zum Arztbesuch zu animieren. Im Zweifelsfall sollten Familienmitglieder einen Termin für den Erkrankten vereinbaren. Das Zusammenleben mit einem schwer depressiv Erkrankten Menschen kann belastend sein. Unter Umständen brauchen auch Angehörige Rat und Unterstützung. Sie sollten daher ihre eigenen Kontakte nicht vernachlässigen. Wer mehr Hilfe braucht: Auch Angehörige können Beratungen in Anspruch nehmen oder sich einer Selbsthilfegruppe anschließen.

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