Symptome der Depression:Bleischwer und hoffnungslos

Symptome der Depression: Eine bleischwere Stimmung gehört zu den Symptomen der Depression.

Eine bleischwere Stimmung gehört zu den Symptomen der Depression.

(Foto: Illustration: Jessy Asmus / SZ.de)

Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Freudlosigkeit: Wie man die Depression erkennt - und warum sie manche trifft und andere verschont.

Von Katrin Neubauer

"Wann immer er sich blicken ließ, fühlte ich mich plötzlich leer und mein Leben schien sich zu verlangsamen." Er, das war Matthew Johnstones "Schwarzer Hund", die Depression. Im gleichnamigen Comic-Buch des Australiers tritt der methaphorische Hund als unbarmherzig treuer, immer größer werdender Begleiter auf. "Irgendwann hatte es der Schwarze Hund geschafft, mein Leben voll und ganz zu beherrschen."

Die Depression gilt nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO als eine der schwerwiegendsten Erkrankungen. Gemessen an der mit Beeinträchtigungen zugebrachten Lebensjahre steht sie vor allen anderen körperlichen und psychischen Krankheiten an erster Stelle.

In Deutschland besteht nach Zahlen des Robert Koch-Instituts bei jedem zehnten Erwachsenen eine aktuelle depressive Symptomatik.

10 bis 15 Prozent aller Patienten mit einer schweren sich wiederholenden Depression sterben laut der European Alliance against Depression e.V. (EAAD) durch Suizid. "Unbehandelt kann die Erkrankung die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre reduzieren", sagt Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Viele Patienten gehen jedoch nicht zum Arzt. Häufig werden auch die Symptome falsch gedeutet. Schätzungsweise nur etwa zehn Prozent der Depressions-Patienten bekommen eine optimale Behandlung.

Niedergeschlagenheit und Katastrophenstimmung - Symptome der Depression

"Oft verläuft die Krankheit in sogenannten Episoden", sagt Hegerl. Klassische Anzeichen sind unter anderem gedrückte Stimmung, Interesse- und Freudlosigkeit, tiefe Erschöpfung, Konzentrationsschwäche und ein vermindertes Selbstwertgefühl. Begleitet werden sie häufig von Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und körperlichen Missempfindungen wie Herzrasen oder Engefühlen in Brust, Hals und Kopf.

Nun kennt fast jeder übellaunige Tage, an denen man angespannt, das Selbstwertgefühl im Keller ist und sich nachts der Schlaf nicht einstellen will. Wie unterscheidet sich ein solches vorübergehendes Stimmungstief von einer Depression? "In Phasen der Niedergeschlagenheit, gibt es immer noch Hoffnung und Momente, in denen man sich ablenken kann und Freude spürt", sagt Hegerl.

Bei Depressionen ist diese Niedergeschlagenheit permanent und sie umfasst alle Lebensbereiche, Arbeit, Familie, Freunde, Hobbys. Dinge, die früher Spaß gemacht haben, bleiben bedeutungslos oder werden zur Last. "Im Gespräch merkt man, ob ein Patient mit seinen Gefühlen mitschwingt. Menschen mit Depressionen haben diese emotionale Schwingungsfähigkeit verloren. Sie fühlen sich wie innerlich versteinert, manchmal versiegen sogar die Tränen. Man spricht dann von Affektstarre", so Hegerl.

Viele Betroffene neigen auch zur Katastrophisierung. Die Depression vergrößert alles Negative und erzeugt heftige Schuldgefühle. Kleine Versehen oder Missgeschicke erscheinen als schwerwiegende Fehler, die ins Zentrum der Selbstwahrnehmung rücken. Alltägliche Aufgaben türmen sich zu scheinbar unüberwindbaren Hürden. Ein weiteres wichtigstes Merkmal ist die Dauer. "Halten die Symptome länger als zwei Wochen an, sollte man einen Arzt konsultieren", rät der Psychiater.

Warum ich? Ursachen der Depression

Bei einer Depression funktioniert der Stoffwechsel im Gehirn nicht mehr richtig. Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin oder Stresshormone sind aus dem Gleichgewicht geraten. Das Stresshormon Cortisol ist bei vielen Menschen in der depressiven Krankheitsphase erhöht.

Oft geht der Erkrankung eine Phase akuter oder anhaltender psychischer Belastung voraus. Das kann eine Trennung vom Partner, Überforderung im Job, Prüfungszeit, Pflege eines Angehörigen, der Bau eines Eigenheims oder Arbeitslosigkeit sein. Der "Schwarze Hund" gesellt sich auch gern zu jenen, die unter ständig negativem Feedback oder fehlender Anerkennung leiden.

Dennoch trifft es längst nicht jeden mit diesen Risikofaktoren. Andere dagegen erkranken, ohne dass ein Auslöser zu erkennen wäre. "Die Depression sucht sich das Negative aus dem Leben heraus", sagt Hegerl. Warum also werden einige depressiv und andere nicht?

Eine wichtige Rolle spielt die genetische Veranlagung. "So ist das Erkrankungsrisiko für Depressionen eines eineiigen Zwillings, dessen Geschwister eine Depression hat, fünfmal größer als in der Normalbevölkerung", sagte der Schweizer Biochemiker Florian Holsboer. Der Depressionsforscher war bis 2014 Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München.

Wissenschaftler fanden bereits vor über 20 Jahren heraus, dass Menschen mit einem bestimmten Eiweißmolekül namens CRH besonders anfällig für Depressionen durch langandauernden Stress sind. Diese Veranlagung kann vererbt, aber auch erworben worden sein - etwa durch ein frühkindliches oder auch späteres Trauma.

Traumatische Erlebnisse können das biologische Gleichgewicht der Nervenzellen aus dem Lot bringen. Kleine Atomanordnungen, die an der Erbsubstanz chemisch gebunden sind, werden verändert. "Diese Atomanordnungen wirken wie Schalter, durch die einzelne Gene stärker oder schwächer aktiviert werden", erläuterte der Wissenschaftler in einem Vortrag. Gene, aber auch biographische Ereignisse, sind demzufolge ausschlaggebend, ob jemand eine Depression entwickelt oder nicht.

Matthew Johnstone ist seinen "Schwarzen Hund" nie ganz losgeworden. Aber mithilfe einer Therapie, schrumpfte er schließlich auf die Größe eines Schoßhundes, den er am Ende an die Leine legte.

In diesem Artikel wird die sogenannte unipolare Depression, die häufigste Form der Depression, beschrieben. Lesen Sie hier Informationen über weitere Formen der Depression.

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