Cannabis und Psyche:Vollgedröhnt bis zur Psychose

Die weiche Droge Cannabis genießt nicht nur bei ihren Konsumenten einen relativ guten Ruf. Doch regelmäßiger Konsum erhöht bei jungen Menschen das Risiko für Psychosen bis hin zur Schizophrenie.

Christian Weber

Menschen tut es immer weh, wenn sie auf liebgewordene Suchtstoffe verzichten sollen, die das Leben zumindest zeitweise erleichtern. Sie ignorieren deshalb gerne Berichte über mögliche Gesundheitsfolgen ihres Konsums.

Cannabis und Psyche: Auch in europäischen Treibhäusern wächst so manche Marihuana-Pflanze, so wie hier in einer illegalen Anlage in Polen. Viele Cannabis-Konsumenten unterschätzen die möglichen psychischen Nebenwirkungen der als sanft geltenden Droge.

Auch in europäischen Treibhäusern wächst so manche Marihuana-Pflanze, so wie hier in einer illegalen Anlage in Polen. Viele Cannabis-Konsumenten unterschätzen die möglichen psychischen Nebenwirkungen der als sanft geltenden Droge.

(Foto: AFP)

Während die häufig tödliche Wirkung der beiden großen Volksdrogen Alkohol und Nikotin mittlerweile unbestritten ist, genießt die weiche, aber illegale Droge Cannabis nicht nur bei ihren 2,4 Millionen deutschen Konsumenten einen relativ guten Ruf: Sie ist in üblichen Dosen nicht giftig, befördert zwar eine chronische Bronchitis, erzeugt aber keine körperliche Abhängigkeit. Und solange er sich nicht zugedröhnt an das Steuer eines Fahrzeuge setzt, beeinträchtigt der friedliche Kiffer seine Umwelt weniger als die alkoholisierten Schlachtenbummler im öffentlichen Nahverkehr.

Nur ein Verdacht stört seit Jahren das Weltbild der Pflanzer und Raucher der Hanfpflanze: dass nämlich chronischer Cannabiskonsum bei gefährdeten Personen das Risiko erhöht, eine Schizophrenie zu entwickeln.

Insofern sind es schlechte Nachrichten, die ein Team von Psychiatern, Psychologen und Statistikern um Rebecca Kuepper und Jim van Os von der niederländischen Universität Maastricht jetzt im medizinischen Fachblatt British Medical Journal (online) veröffentlicht.

Ihre Kohortenstudie an knapp 2000 deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 24 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren ist der bislang überzeugendste Beweis, dass Cannabis-Rauchen in dieser Lebensphase tatsächlich das Risiko verdoppelt, psychotische Symptome auszubilden.

Auch wenn Faktoren wie Geschlecht, sozioökonomischer Status, der Konsum anderer Drogen und das Vorliegen weiterer psychischer Störungen berücksichtigt werden, ergibt sich, dass Kiffer häufiger akustische Halluzinationen oder Wahnvorstellungen erleben. Mehr noch, schreiben die Forscher: "Fortgesetzter Cannabis-Konsum erhöht möglicherweise das Risiko für psychotische Krankheiten, weil er die Dauerhaftigkeit der Symptome verstärkt.

" Mit anderen Worten: Kiffen kann eine Schizophrenie auslösen.

Dabei ist in der Forschung seit langem unbestritten, dass Cannabis-Konsumenten häufiger unter psychotischen Symptomen leiden, doch unklar war die Kausalität - nicht auszuschließen, dass diese Korrelation zwischen Droge und Krankheit ein Zufall ist und die Symptome durch genetische Faktoren oder andere Drogen ausgelöst werden.

Es gibt ein Risiko, auch wenn es relativ klein ist

Besonders populär ist bis heute die Vermutung, dass umgekehrt junge Menschen, die erste psychotische Erfahrungen machen, diese durch das Cannabis dämpfen wollen - ein Akt der Selbstmedikation. Das sei naheliegend, weil junge Erwachsene in der Regel in dem Alter kiffen, in dem üblicherweise auch eine Schizophrenie ausbricht. So erklärten Kritiker etwa die Ergebnisse einer bereits 2007 in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichten Metaanalyse, die ein um 40 Prozent erhöhtes Psychose-Risiko unter Cannabis-Konsumenten ermittelte.

Nicht zuletzt schien eine epidemiologische Studie in Großbritannien der Cannabis-These zu widersprechen: Angesichts des zunehmenden Massenkonsums der Droge müsste eigentlich zu erwarten sein, dass die Zahl der Schizophreniekranken steigt. Doch in einer Population von 600.000 Briten konnten die Forscher zwischen 1996 bis 2005 keine Zunahme feststellen.

Die BMJ-Studie setzt in dieser Diskussion neue Standards. So wurden für den Hauptteil der Studie nur Probanden aufgenommen, bei denen zu Beginn sichergestellt war, dass sie bis dahin keine Erfahrung mit Cannabis und psychotischen Symptomen gemacht hatten. In den darauf folgenden zehn Jahren wurden die Studienteilnehmer dann mehrmals systematisch interviewt, wobei sich die Zusammenhänge zwischen Droge und Symptomen bestätigten.

In einer zweiten Gruppe untersuchten die Forscher junge Menschen, die bereits zu Studienbeginn kifften; bei diesen fanden sie bereits chronische Störungen. Keine Belege gab es für die These der Selbstmedikation.

Diese Ergebnisse seien umso plausibler, kommentiert Neurobiologe Wayne Hall von der University of Queensland in Australien, wenn man biologische Experimente betrachtet. So hätte eine Doppelblindstudie gezeigt, dass die intravenöse Gabe des zentralen Cannabis-Wirkstoffes THC bei Probanden die üblichen Schizophrenie-Symptome hervorruft.

"Angesichts solcher Ergebnisse ist es wahrscheinlich, dass Cannabis-Konsum Schizophrenie bei Menschen auslöst, die aufgrund ihrer Biographie oder Familiengeschichte vulnerabel sind", sagt Hall.

Andererseits gibt der Forscher zu bedenken, dass die absolute Risikosteigerung bei gesunden Menschen und moderatem Konsum relativ gering ist: Nach einer Modellrechnung müsste man, so Hall, 2000 bis 4500 junge Menschen vor dem regelmäßigen Drogenkonsum bewahren, um einem einzigen Schizophrenie-Fall vorzubeugen.

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