Brustkrebs-Vorsorge:Mehr Glauben als Wissen

Weltkrebstag

Der Effekt der Mammografie auf die Krebs-Todesstatistik ist kaum erkennbar, zeigen Langzeitstudien.

(Foto: dpa)

Jede zweite deutsche Frau ist falsch oder ungenügend über Nutzen und Risiken der Mammografie informiert. 30 Prozent glauben sogar, dass die Vorsorgeuntersuchung die Krankheit verhindere. Aufklärungsbriefe scheinen die Verwirrung noch zu vergrößern.

Von Berit Uhlmann

Sind Frauen vor Brustkrebs sicher, wenn sie zur Mammografie gehen? 30 Prozent der Frauen in Deutschland glauben dies - und verdeutlichen damit, welch große Wissenslücken im Fall von Tumorerkrankungen vorherrschen. Jede zweite Frau ist falsch oder ungenügend über den Sinn der Mammografie informiert, ergab eine Studie der Barmer Ersatzkasse und der Bertelsmann-Stiftung.

Seit 2002 werden in Deutschland alle Frauen über 50 Jahre regelmäßig zur vorsorglichen Mammografie gebeten. Das Screening ist allerdings umstritten. Auf der einen Seite ist der Nutzen fraglich, denn ein erkannter Krebs ist noch lange kein geheilter Krebs. Für Deutschland gibt es derzeit keine aussagekräftige Studie zur Wirkung der Reihenuntersuchungen, schreiben die Autoren. Internationalen Erfahrungen nach geht die Brustkrebssterblichkeit vor allem bei Frauen unter 50 Jahren zurück. Sie sind aber in den meisten Ländern gar nicht in die Screening-Programme einbezogen. Verantwortlich für die Erfolge dürften eher verbesserte Behandlungsmöglichkeiten sein.

Diesem fraglichen Nutzen stehen die Risiken gegenüber. Bei der Untersuchung kommt es in vielen Fällen zum Fehlalarm. Die Röntgenaufnahme zeigt Auffälligkeiten an, die gar nicht vorhanden oder harmlos sind. Die Frauen werden durch die falsche Diagnose Krebs belastet und unterziehen sich unnötigen, zum Teil riskanten Behandlungen.

Die Cochrane Collaboration, eine Forschervereinigung mit sehr strengen wissenschaftlichen Kriterien, schlussfolgerte 2012 nach Sichtung der relevanten Studien: Es scheine "nicht mehr sinnvoll zu sein", sich an einem Screening-Programm zu beteiligen: "Durch das Screening werden gesunde Frauen, die nie irgendwelche Zeichen von Brustkrebs entwickelt hätten, zu Brustkrebs-Patientinnen gemacht. Die Behandlungen dieser Frauen erhöht ihr Risiko zum Beispiel an einer Herzkrankheit oder einem (anderen) Krebsleiden zu sterben."

Eine aktuelle Studie, in der die Daten von 90 000 Frauen im Alter zwischen 40 und 59 Jahren eingeflossen waren, ergab, dass die Untersuchungen keine Auswirkungen auf die Todesrate bei Brustkrebs haben. Dagegen wurde in einem Fünftel aller Fälle fälschlicherweise Krebs diagnostiziert.

Unbeeinflusst von den zunehmenden Zweifel unter Wissenschaftlern, waren die in der aktuellen Barmer-Studie befragten Frauen überzeugt, dass der Nutzen überwiege. Die Risiken waren ihnen dagegen kaum bewusst.

Im Wirrwarr der Zahlen

Auch Informationsmaterial, das die Frauen mit der Einladung zur Vorsorgeuntersuchung erhielten, führte nicht zu mehr Klarheit. Im Gegenteil: Fast 40 Prozent der Frauen, die Aufklärungsschreiben erhielten, kommen zu unrealistischen Einschätzungen. Unter Frauen, die kein Aufklärungsmaterial bekamen, kam es nur bei 31 Prozent zu Fehleinschätzungen.

Ein Beispiel: Der Nutzen der Mammografie wurde den Frauen mit einer Zahl verdeutlicht. Wenn 1000 Frauen untersucht werden, können damit fünf Todesfälle vermieden werden. Dies ist bereits ein sehr optimistischer, durchaus umstrittener Wert. Dennoch gingen die meisten Frauen von einer viel größeren Erfolgsrate aus. Nur vier Prozent der befragten Frauen gaben den genannten Wert korrekt wieder. Im Schnitt glaubten die Frauen, dass mehr als 200 Todesfälle verhindert werden könnten. Norbert Schmacke, einer der Autoren der Studie, hält das Ausmaß der Informationsdefizite für besorgniserregend: "Es mangelt insbesondere bei der Einladung zum Screening an verständlichen und evidenzbasierten Informationen sowie an Zeit und Gelegenheit, sich eine eigene Meinung bilden zu können."

Verständlich ist die Haltung der Frauen. Denn jahrelang wurde pauschal die Botschaft "Früherkennung hilft" verkündet, kritisieren die Autoren. Damit aber werden falsche Erwartungen und im Falle einer Erkrankung bisweilen Schuldgefühle geweckt. Auch der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg macht immer wieder derartige Erfahrungen. Viele Anruferinnen seien zwar vorinformiert. "Dennoch hören wir immer wieder den Satz: "Da bin ich immer zur Vorsorge gegangen und bekomme trotzdem Krebs", sagte Birgit Hiller vom Informationsdienst.

Die Autoren wollen ihre Studie nicht als Argument gegen die Mammografie verstanden wissen. Wichtig ist ist ihnen vielmehr, dass die Frauen ihre Entscheidung gut informiert treffen und sich des Risikos falscher Krebsdiangosen bewusst sind. Dabei helfen können unter anderem folgende Quellen:

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