Behandlung der Depression:Jenseits von Tabletten und Couch

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Bewegung und Tageslicht können sich positiv auf die Depression auswirken.

(Foto: Florian Peljak)

Elektrokrampftherapie, Schlafentzug, Lichttherapie, Sport und gesunde Ernährung werden gegen Depressionen eingesetzt. Wem sie wie gut helfen. Ein Überblick

Von Katrin Neubauer

Antidepressiva und Psychotherapie sind die Standardverfahren bei Depressionen. Zusätzlich, manchmal auch alternativ, werden jedoch noch weitere Verfahren eingesetzt. Für einige ist die Wirksamkeit belegt, bei anderen steht die Forschung noch am Anfang. Was hilft wie?

Schlafentzug

Schlafentzug wird mittlerweile in vielen Kliniken angeboten. Patienten bleiben entweder die zweite Nachthälfte ab ein Uhr oder die ganze Nacht lang wach. Zunächst ist die therapeutische Wirkung nur flüchtig und die Depression kehrt nach einer durchgeschlafenen Nacht wieder zurück. Um langfristig zu wirken, muss Schlafentzug über mehrere Wochen etwa alle zwei bis drei Nächte angewandt werden. Die Therapie sollte am besten in einer Klinik unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Studien zufolge sprechen rund 60 Prozent der Behandelten gut auf die Methode an. Am besten wirkt sie bei Patienten mit tageszeitabhängigen depressiven Phasen, wie dem Morgentief und dem Abendhoch. Auch Ein- oder Durchschlafprobleme oder sehr frühes Erwachen verschwinden häufig durch die Therapie.

Forscher vermuten, dass der Schlafentzug dem inneren Alarmzustand der Depression - also Anspannung und Unruhe - entgegen wirkt. "Dabei werden die Mechanismen im Hirn, die die Wachheit und den Stress fördern, geschwächt und schlaffördernde Mechanismen gestärkt", sagt Ulrich Hegerl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Elektrokrampftherapie

Die Elektrokrampftherapie (EKT) ist die wirksamste Methode für die Behandlung sehr schwerer, chronischer oder wahnhafter Depressionen. Sie wird vor allem dann empfohlen, wenn Antidepressiva keine Besserung bringen oder unverträglich sind.

Bei der EKT erhält der Patient eine Narkose und Mittel zur Muskelentspannung. Dann wird durch eine kurze elektrische Reizung des Gehirns ein epileptischer Anfall ausgelöst. In der Regel sind sechs bis zwölf Sitzungen mit ein bis drei Behandlungen pro Woche notwendig.

Wie die Therapie genau wirkt, ist trotz 70-jähriger Anwendung bis heute nicht geklärt. Doch bei 50 bis 75 Prozent der Patienten bessern sich die Symptome. Allerdings kehren sie häufig nach einigen Monaten zurück. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, vorübergehende Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und seltener auch des Langzeitgedächtnisses auftreten.

Lichttherapie, Sport und Ernährung

Lichttherapie

Bei der Lichttherapie werden Patienten mit künstlichem Licht bestrahlt, aus dem der potenziell schädliche UV-Anteil herausgefiltert wurde. Die Lampen bringen es auf Lichtstärken zwischen 2500 und 10 000 Lux. Der Wert ist deutlich stärker als eine herkömmliche Zimmerbeleuchtung, die es auf maximal 800 Lux bringt. Er reicht aber nicht an einen Sommertag heran, bei dem selbst unter einer Wolkendecke noch 20 000 Lux erreicht werden.

Abhängig von der Beleuchtungsstärke sollen Patienten täglich eine halbe bis zwei Stunden direkt in die Lichtquelle sehen. 60 bis 90 Prozent der Patienten mit einer saisonal auftretenden Depression, auch Winterblues genannt, sprechen auf die Methode an. Allerdings lässt die Wirkung schnell wieder nach, weshalb sie die gesamte dunkle Jahreszeit über angewendet werden sollte. Die Wirkung bei einer nicht saisonabhängigen Depression ist weniger gut belegt.

Die Kassen übernehmen die Kosten für die Lichtbehandlung nicht. Sie verweisen darauf, dass Licht auch bei Bewegung unter freiem Himmel seine Wirkung entfalten kann. Der Igel-Monitor, der Selbstzahlerleistungen bewertet, hält die Lichttherapie bei der Winterdespression für "tendenziell positiv", gibt aber zu bedenken, "dass ein Spaziergang bei Helligkeit nicht nur den Lichtmangel ebenso gut ausgleicht wie eine Lichttherapie, sondern die Bewegung an der frischen Luft sich zusätzlich positiv auf die Gesundheit auswirken könnte".

Keine Alternative sind Solarien. Denn um eine antidepressive Wirkung zu entfalten, muss das Licht über die Augen aufgenommen werden. Auf der Sonnenbank sollten die Augen jedoch geschützt werden, denn die dort verwendete Strahlung mit ihrem hohen UV- Anteil kann das Sehorgan schädigen.

Sport

Dass Sport antidepressiv wirkt, ist wissenschaftlich nicht klar belegt. Eine Forschergruppe der strengen Cochrane Collaboration sichtete 32 internationale Studien mit knapp 1.900 Patienten, die an Bewegungsprogrammen gegen Depressionen teilgenommen hatten. Getestet wurden über 16 Wochen Ausdauersportarten, wie Joggen, Walken, Radfahren sowie Krafttraining. Fazit: Der Effekt ist eher gering.

Ärzte raten bei Depressionen dennoch zu Bewegung. Sport senkt nachweislich den Spiegel des Stresshormons Cortisol, der bei Depressions-Patienten meist erhöht ist. "Sport kann Behandlungen mit Antidepressiva oder Psychotherapie zwar nicht ersetzen, als begleitende Therapie aber durchaus nützlich sein", sagt Christine Rummel-Kluge Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig. "Um eine Wirkung zu erreichen, sollten wöchentlich drei Mal zirka 30 Minuten Ausdauersport getrieben werden."

Ernährung

Inwieweit Nährstoffe Depressionen beeinflussen, ist bislang umstritten. Einige Studien legen nahe, dass zwischen der Erkrankung und einem gravierenden Nährstoffmangel ein Zusammenhang bestehen könnte. Eine antidepressive Wirkung werden insbesondere Zink, Folsäure (Vitamin B 9), Vitamin B 12, Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und der Aminosäure S-Adenosylmethionin (SAM) zugeschrieben.

In einigen Studien besserten sich die depressiven Symptome durch die Gabe hoher Konzentrationen dieser Nährstoffe. In anderen nicht. Eine ausbleibende Wirkung erlebten vor allem Patienten, die keine Medikamente nahmen oder bei denen Antidepressiva nicht ausreichend anschlugen. "Aber handfeste Beweise sind das noch nicht", sagt Hubertus Himmerich, Professor an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig.

"Folsäure, Vitamin D, SAM und die Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) scheinen als Nahrungsergänzungsmittel bei Depressionen sinnvoll zu sein", so Himmerich. Unklar ist allerdings die Höhe der Dosierung. Sein Fazit:. "Eine traditionelle mediterrane Ernährung scheint auf jeden Fall eine vorbeugende antidepressive Wirkung zu haben."

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