Behandlung bei HIV:Kampf gegen ein tückisches Virus

HIV HI-Virus Aids-Erreger

HI-Virus unter dem Elektronenmikroskop. In Deutschland wissen 14 Prozent der Infizierten nicht, dass sie den Erreger in sich tragen.

(Foto: Cynthia Goldsmith, CDC)

Das HI-Virus ist trickreich. Es kapert die Abwehr und ist ein Meister der Verwandlung. Dennoch lässt es sich heute stoppen. Infizierte können jahrzehntelang mit HIV leben - jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Von Nina Buschek

Im ersten Jahrzehnt nach der Entdeckung von Aids kam die Diagnose "HIV-positiv" einem Todesurteil gleich. Die Ärzte konnten lediglich versuchen, Beschwerden zu lindern, gegen das zerstörerische Virus waren sie machtlos. Heute ist die Situation eine andere. Drei Jahrzehnte Aids-Forschung haben eine Reihe von Wirkstoffen hervorgebracht, die dem Erreger der Immunschwächekrankheit Einhalt gebieten. Grund zur Entwarnung gibt es dennoch nicht. Aids ist noch immer unheilbar. Mit der richtigen Behandlung können HIV-Infizierte aber ein (fast) normales Leben führen. Eine erfolgreiche Therapie senkt zugleich das Risiko, die Immunschwächekrankheit weiterzugeben. Denn je weniger HI-Viren im Blut eines Infizierten zirkulieren, desto geringer ist das Risiko, dass der Betroffene jemanden ansteckt.

HI-Viren besitzen nichts als einen Erbgutstrang und einer Hülle. Die Fachwelt zählt sie deshalb zu den Retroviren. Um sich zu vermehren, benötigt HIV den menschlichen Körper, hauptsächlich Zellen des Immunsystems, die sogenannten T-Helferzellen. Das Virus dockt an der Zelloberfläche an, schleust sein Erbgut in das der Zelle ein und übernimmt damit das Kommando über den Stoffwechsel. Es verwandelt die Zelle, deren eigentliche Aufgabe es ist, Schaden vom Körper abzuwenden, in eine Virusfabrik. Wird dieser Prozess nicht gestoppt, kann das Immunsystem irgendwann Eindringlinge nicht mehr effektiv abwehren.

Die sogenannte antiretrovirale Therapie soll verhindern, dass sich die HI-Viren vervielfältigen und im Körper weiter ausbreiten. Dafür stehen heute Medikamente aus fünf Substanzklassen zur Verfügung, die verschiedene Produktionsschritte in der Virusfabrik sabotieren: Sie stoppen das Virus beim Eintritt in die Zielzelle, stören den Einbau des viralen Erbguts in die Zelle oder verhindern, dass die HIV-infizierte Körperzelle Bausteine für neue Viren produziert.

Nur die Kombination mehrerer Wirkstoffe ist effektiv

Das Tückische an HIV ist: Das Virus ist ein Meister der Verwandlung. Bei der Vermehrung entstehen immer wieder neue Varianten, und oft befinden sich darunter welche, gegen die eine oder mehrere Arzneien nicht wirken. Ein Medikament allein kann die Krankheit deshalb kaum aufhalten.

Kombiniert man mehrere Wirkstoffe, die unterschiedlich arbeiten, lässt sich die Virusvermehrung dagegen oft schnell und effektiv eindämmen. Man kennt heute mehr als 25 verschiedene Wirkstoffe. Meist werden sie als Dreier- oder sogar Zweierkombination verabreicht. Fixkombinationen vereinen mehrere Wirkstoffe in einer Tablette. Je früher die Kombinationstherapie beginnt, desto besser wirkt sie und desto verträglicher ist sie.

Welche und wie viele Medikamente die Erkrankung im Einzelfall am besten in Schach halten, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel davon, ob der Infizierte Beschwerden hat, wie viele Viren in seinem Körper zirkulieren oder von der Anzahl gesunder T-Helferzellen in seinem Blut. Jede HIV-Infektion verläuft individuell und jeder Betroffene spricht anders auf die Behandlung an. Bei manchen reicht schon eine Tablette pro Tag, andere müssen möglicherweise bis zu sieben Tabletten täglich schlucken.

Nebenwirkungen der HIV-Medikamente

Die ersten Medikamente gegen HIV kamen in den 90er Jahren auf den Markt. Seitdem sind sie nicht nur wirksamer geworden, auch die Nebenwirkungen fallen in der Regel milder aus. Zu Beginn der Behandlung leiden viele Patienten unter Magen-Darm-Beschwerden, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Hautausschlägen. Diese Beschwerden verschwinden oft wieder, wenn sich der Körper an die Behandlung gewöhnt hat.

Langfristig können Aids-Medikamente den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel durcheinander bringen, Leber und Nierenfunktion stören oder das Nervensystem angreifen. Manche Wirkstoffe können eine Umverteilung des Fettgewebes am Körper bewirken. Das Gesicht wird also beispielweise schmaler, während sich im Nacken ein Fettpölsterchen bildet. Viele dieser Nebenwirkungen sind behandelbar. Manchmal hilft nur, das Präparat zu wechseln.

HIV-Therapie bedeutet, lebenslang Tabletten schlucken zu müssen. Für die Betroffenen ist das mitunter eine große körperliche und psychische Belastung. Umso wichtiger ist die Betreuung durch spezialisierte Ärzte, beispielsweise in der HIV-Ambulanz eines Krankenhauses oder einer HIV-Schwerpunktpraxis. Spezialisierte Mediziner können beispielsweise die örtlichen Niederlassungen der Deutschen Aids-Hilfe nennen.

Immer wieder muss anhand von Laborwerten überprüft werden, ob die Therapie noch wirkt. Steigt die Viruslast im Blut oder schwinden die intakten Immunzellen, muss die Behandlung eventuell angepasst werden. Auch neu aufgetretene Nebenwirkungen, Begleiterkrankungen oder veränderte Lebensumstände können einen Wechsel der Medikamentenkombination erforderlich machen.

Ruhende Viren

Man muss heute nicht mehr an Aids sterben, aber man muss mit HIV leben. Denn ganz aus dem Körper eliminieren lässt sich das Virus noch nicht. HI-Viren können in eine Art Ruhezustand übergehen. Sie wandern aus dem Blut in andere Körperregionen, zum Beispiel das Gehirn oder die Darmschleimhaut, und vermehren sich erst mal nicht mehr. In dieser Zeit sind sie für Medikamente nur schwer zugänglich. Irgendwann werden die ruhenden Viren aber wieder aktiv.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: