Schmerzmittel:Aspirin gegen den Krebs

Das Schmerzmittel Aspirin wird von Millionen Menschen geschluckt - auch gegen Entzündungen und zur Vorsorge gegen einen Infarkt oder Schlaganfall. Nun berichten Mediziner von einem weiteren Effekt der täglichen Einnahme: Das Mittel verringert offenbar das Risiko für Krebs und die Metastasenbildung.

Werner Bartens

Seit der erstmaligen Herstellung von Aspirin 1897 wurde der populäre Fiebersenker oft als Wundermittel gehandelt. Schnittblumen bleiben mit Aspirin länger frisch, lautete beispielsweise eine Legende der zwanziger Jahre.

25-milliardste Tablette der Bayer Bitterfeld GmbH

Manches was dem Aspirin nachgesagt wurde, war nur eine Legende. Aber das Mittel hilft offenbar tatsächlich bei  einer ganzen Reihe von Leiden - und kann das Krebsrisiko mindern.

(Foto: dpa/dpaweb)

Bis heute hat die Acetylsalicylsäure (ASS) wenig von ihrer Beliebtheit eingebüßt. In mehr als 500 Arzneimitteln ist sie erhältlich, um Schmerz zu lindern und Entzündungen einzudämmen. Millionen Menschen weltweit schlucken sie, um einen Infarkt oder Schlaganfall zu verhindern und Gefäße offen zu halten. Ein weiterer Effekt der täglichen Einnahme von Aspirin wurde quasi nebenbei beobachtet: ASS verringert offenbar das Risiko für Krebs und senkt die Wahrscheinlichkeit, dass Tumoren Metastasen bilden.

Epidemiologen um Peter Rothwell von der Universität Oxford zeigen im Fachblatt Lancetvon diesem Mittwoch in mehreren Beiträgen, wie die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Tumors sinken könnte. Das Krebsrisiko sei demnach bei regelmäßiger Aspirin-Einnahme um 15 Prozent vermindert. Schluckt jemand die Pillen regelmäßig bereits seit fünf Jahren oder länger, sinke die Tumorgefahr sogar um bis zu 37 Prozent.

Zwar gab es schon früher Hinweise dafür, dass Aspirin in einer niedrigen Dosierung von beispielsweise 75 oder 100 Milligramm täglich die Krebsgefahr senkt. In der aktuellen Untersuchung an mehr als 70.000 Teilnehmern zeigte sich jedoch, dass der Effekt nicht nur langfristig, sondern schon nach wenigen Jahren eintritt und das Tumorrisiko bei Männern wie Frauen ähnlich stark verringert wird.

Aspirin, das wie "Tempo" bei Papiertaschentüchern zum sprachlichen Platzhalter für alle ASS-Präparate geworden ist, scheint zudem das Wachstum von Metastasen zu hemmen. In zwei weiteren Studien berichten die Ärzte aus Oxford im Lancet, dass Patienten, die täglich Aspirin nehmen, nicht nur seltener an Krebs erkranken, sondern auch seltener Metastasen bilden.

"In Tierstudien konnte das schon gezeigt werden, jetzt sehen wir Belege auch beim Menschen", sagt Rothwell. "Wahrscheinlich spielt die Metastasenbildung über die Blutplättchen dabei eine Rolle."

Aspirin verflüssigt das Blut, indem es die gerinnungsfördernde Wirkung der Blutplättchen hemmt. Dieser Mechanismus, der vor Infarkt und Schlaganfall schützt und womöglich auch zum verminderten Krebsrisiko beiträgt, ist aber nur um den Preis einer erhöhten Blutungsneigung zu haben. Besonders Magenblutungen ereignen sich häufiger, wenn Patienten täglich Aspirin einnehmen. Deshalb schrecken viele Ärzte davor zurück, die Tabletten grundsätzlich zu empfehlen.

Da Aspirin oft geschluckt wird, muss man auch kleine Nebenwirkungen bedenken", fordern die Harvard-Ärzte Andrew Chan und Nancy Cook im Lancet. "Wird über Vorbeugung mit Aspirin diskutiert, sollten zukünftig nicht nur Herz-Kreislauf-Leiden, sondern auch Tumoren im Mittelpunkt stehen." Für Bernd Mühlbauer, Chef der Klinischen Pharmakologie am Klinikum Bremen, reichen die Beweise noch nicht, um der Bevölkerung Aspirin zu empfehlen.

"Alle Daten zu Aspirin und Krebs stammen aus Studien, die eigentlich die Wirkung auf Herz und Gefäße untersuchen; da ist das Verzerrungspotential groß", sagt Mühlbauer, der dem Vorstand der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft angehört. "Eine gute Studie, die den Einfluss von Aspirin auf Krebs direkt untersucht, würde man sich von unabhängigen Stellen wie dem Forschungsministerium oder der WHO wünschen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: