Antikörper gegen HIV:Verfolgungsjagd im Blut

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Zum ersten Mal erweist sich ein neuer Therapieansatz gegen HIV in Menschen als wirksam. Eine Heilung kann die Methode zwar nicht erreichen. Aber als neue Waffe im Kampf gegen Aids sollen die Antikörper eine Rolle spielen.

Von Kathrin Zinkant

Einem deutsch-amerikanischen Forscherteam ist es erstmals gelungen, Träger des Aidserregers HIV mithilfe einer sogenannten passiven Immunisierung erfolgreich zu behandeln. Das berichten die Autoren um Michel Nussenzweig von der Rockefeller University, New York, in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.

Insgesamt 17 Patienten und 12 Gesunde bekamen im Rahmen der kleinen Studie einen sogenannten Antikörper verabreicht. Solche Eiweiße sind spezialisierte Bestandteile des Immunsystems: Sie docken gezielt an charakteristische Oberflächenstrukturen von Erregern oder kranken Zellen an und wirken dann wie eine Art Peilsender, der körpereigene Abwehrzellen mobilisiert. In der Folge wird der Feind aufgespürt und vernichtet.

Das Prinzip ist bei der Behandlung vieler Infektionen wirksam, etwa kurz nach dem Biss eines tollwütigen Tieres, und galt schon lange auch als möglicher Ansatz für eine Behandlung von HIV-Infizierten. Entsprechende Versuche wurden schon vor mehr als zehn Jahren unternommen. Allerdings gelang es bislang nie, so die Virenlast in HIV-Infizierten merklich zu mindern.

Klontechniken im Labor

Dass es nun doch mit einem dieser spezialisierten Eiweiße funktioniert, ist nicht zuletzt neuen Methoden in der Antikörperproduktion zu verdanken: Forscher haben in den vergangenen Jahren immer ausgefeiltere Methoden entwickelt, um Proteine dieses Typs aufzuspüren.

Sie werden natürlicherweise von den sogenannten B-Zellen in HIV-Infizierten selbst gebildet, als Reaktion auf den Erreger. In den Patienten bleiben sie meist wirkungslos, weil ihre Menge nicht ausreicht und das Virus sich zu rasch verändert. Seit einigen Jahren lassen sich einzelne, besonders potente Antikörper nun aber in großen Mengen durch Klontechniken im Labor gewinnen.

Einen solchen "breit neutralisierenden" Antikörper haben die Forscher nun auch in der aktuellen Studie getestet. Bei allen acht Patienten, die mit der höchsten Dosis behandelt wurden und sonst keinerlei Therapie erhielten, schrumpfte die Viruslast binnen zwei Wochen radikal. Bei zwei dieser Teilnehmer waren auf dem Höhepunkt der Wirkung kaum mehr Spuren des Virus nachzuweisen.

Die Behandlung wurde dabei gut vertragen, als häufigste Nebenwirkung wurden eine laufende Nase und leichter bis moderater Husten beklagt. Absehbar war allerdings auch, dass der Effekt nicht von Dauer sein würde: In allen Probanden stieg die Zahl der Viren im Blut bis zum Ende der Studie wieder an - zumeist auf das ursprüngliche Niveau. Bei einigen zeichnete sich zudem die Bildung von Resistenzen ab. Das HI-Virus gilt als extrem anpassungsfähig.

Für die beteiligten Forscher ist das aber keinesfalls eine Enttäuschung. "Es ist ein völlig neuer Ansatz in der Therapie", erklärt der Infektiologe Gerd Fätkenheuer vom Universitätsklinikum in Köln, der mit seinen Patienten maßgeblich an der Studie beteiligt war. "Wir erwarten zunächst, dass solche Antikörper vorhandene Therapieformen ergänzen und zumindest zeitweise auch ersetzen können." Die verfügbaren Medikamente seien zwar ebenfalls sehr wirksam, hätten aber viele Nebenwirkungen.

"Ich glaube, dass unsere Studie vor allem als proof of concept wichtig ist", sagt auch Florian Klein, einer der zwei Erstautoren der Arbeit. Er wird von der Rockefeller University jetzt an die Uniklinik in Köln wechseln und weitere Studien mit Antikörpern durchführen. Es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis es tatsächlich zu einem klinischen Einsatz der neuen Antikörper kommt. Sie sind zudem deutlich teurer als die teils schon als Generika erhältlichen Medikamente.

"Shock-and-kill-Taktik"

Doch obwohl auch bei diesen künftigen Tests an Patienten noch nicht mit einer Heilung zu rechnen ist: Passiv verabreichte Antikörper könnten durchaus einmal eine Rolle in Strategien spielen, um das Virus vollständig aus dem Körper zu vertreiben. Vor allem Einzelfälle wie das sogenannte Mississippi-Baby oder die Boston-Patienten hatten gezeigt, dass sich das HI-Virus derart gut im Körper versteckt, dass es viele Monate oder sogar Jahre nach dem letzten Nachweis wieder zurückkehren kann. Vor allem ruhende Immunzellen dienen dem Erreger vermutlich als Schlupfwinkel. Äußerlich ist diesen sogenannten Gedächtniszellen ihre Fracht dabei nicht anzusehen - nicht, solange sie inaktiv sind.

Viele Forscher setzen daher jetzt auf eine "Shock-and-kill-Taktik": Medikamente sollen die schlafenden Zellen samt den Viren aufwecken ("shock"), um die Viren aus der Deckung zu locken und zugänglich für antivirale Medikamente zu machen ("kill"). Michel Nussenzweig von der Rockefeller University in New York hatte im vergangenen Jahr in ersten Versuchen an Mäusen gezeigt, dass auch Antikörper dabei den Killer spielen können. Die aktuelle Studie legt zumindest nahe, dass dies auch im Menschen funktioniert. "Das ist eigentlich unsere größte Hoffnung - dass Antikörper in solchen Heilungsansätzen eine wichtige Rolle spielen werden", sagt Fätkenheuer.

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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