Tuberkulose-Impfung:Vergebliches Hoffen auf Wunder

Tuberkulose-Impfung: Eine Tuberkulose-Patientin in Indien: Wissenschaftler suchen schon lange nach einem Impfstoff.

Eine Tuberkulose-Patientin in Indien: Wissenschaftler suchen schon lange nach einem Impfstoff.

(Foto: Marine Simon/AFP)

Mediziner hatten große Erwartungen in einen neuen Tuberkulose-Impfstoff gesetzt. Doch im Praxistest hat das Mittel nun versagt. Und manche Experten sind darüber nicht einmal verwundert.

Von Katrin Blawat

Immerhin scheint der Impfstoff gut verträglich zu sein. Das ist die gute Nachricht, die Tuberkulose-Forscher um Michele Tameris ausdrücklich betonen - um dann zum enttäuschenden Teil ihrer Studie zu kommen: Ein neu entwickelter Impfstoff kann Babys nicht vor Tuberkulose schützen. Dabei galt das Vakzin mit dem Namen MVA85A bislang als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für einen ebenso sicheren wie wirkungsvollen Schutz vor Tuberkulose.

Auf den nämlich hofft die Welt seit Jahren. Zwar gibt es schon seit 1921 die sogenannte BCG-Impfung (für Bacille Calmette-Guérin). Babys in Ländern mit hoher Tbc-Rate wie Südafrika erhalten sie routinemäßig. Doch die Impfung ist oft nicht besonders gut verträglich - und vor allem nicht sehr wirkungsvoll. Vor der am weitesten verbreiteten Form der Infektionskrankheit, der Lungen-Tuberkulose bei Jugendlichen und Erwachsenen, bietet sie keinen Schutz.

Daher suchen Forscher dringend nach Alternativen. Und lange sah es so aus, als könnten sie mit MVA85A fündig geworden sein. Tierversuche und erste Studien mit erwachsenen Probanden ließen die Hoffnungen steigen. "Es steht viel auf dem Spiel", schreiben Christopher Dye von der Weltgesundheitsorganisation und Paul Fine von der London School of Hygiene and Tropical Medicine im Fachmagazin The Lancet (online). "Ein hochwirksames Vakzin könnte die Tuberkulose-Kontrolle revolutionieren, den Schwerpunkt von der Behandlung auf die Prävention verlagern."

Doch nach dem, was die Forscher um Michele Tameris von der University of Cape Town nun im Lancet (online) veröffentlicht haben, wird MVA85A diese Revolution wohl nicht einleiten. Innerhalb von zwei Jahren zeigte die neue Substanz keine schützende Wirkung für Babys.

Das Team testete den Impfstoff in Südafrika an knapp 1400 gesunden Kindern zwischen vier und sechs Monaten. Ebenso viele Babys bekamen statt des Vakzins eine Placebo-Spritze. Außerdem hatten alle Kinder zuvor die BCG-Injektion erhalten. Das neue Vakzin sollte das alte unterstützen, sodass beide Stoffe zusammen einen ausreichenden Schutz bieten könnten, hatten die Forscher gehofft. Vakzine wie MVA85A sind damit Teil der sogenannten "Booster-Strategie", da sie im Idealfall die Wirkung der ersten Substanz verstärken.

"Die richtig harten Brocken"

Doch von den im Rahmen der Studie geimpften Kindern erkrankten später 32 an Tuberkulose, und bei insgesamt 178 Babys aus der Impfgruppe ließen sich die Erreger nachweisen. Dass nur ein Teil der Infizierten erkrankt, ist typisch für den Tbc-Erreger. In der Placebogruppe brach die Tuberkulose bei 39 Kindern aus, 171 infizierten sich. Damit gab es zwar einen winzigen Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Dieser war aber so klein, dass die Forscher ihn als bedeutungslos einstuften. "MVA85A konnte keinen signifikanten Schutz gegen Tuberkulose oder die Infektion mit M. tuberculosis bieten", folgern sie. Allerdings sei die Substanz gut verträglich gewesen, und dies zu untersuchen, sei schließlich der eigentliche Zweck der Studie gewesen. Man dürfe sich jetzt nicht entmutigen lassen - diese Botschaft der Autoren ist nicht zu überhören.

Manchen Experten aber überrascht die mangelnde Wirksamkeit nicht einmal besonders. Seit Jahren bemühen sich Forscher um einen neuen Impfstoff. Und dann soll gleich der erste Versuch, bei dem die Wirksamkeit im Menschen zur Frage steht, der ganz große Wurf werden? "Man hofft immer auf Wunder", sagt Stefan Kaufmann, Tbc-Experte und Direktor am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. "Aber die Zeiten sind vorbei, in denen wir hundertprozentig wirksame Impfstoffe entwickeln. HIV, Malaria und eben Tuberkulose: Jetzt kommen die richtig harten Brocken."

Dass Tbc zu diesen harten Brocken gehört, liegt auch daran, dass Forscher erst allmählich verstehen, wie genau das menschliche Immunsystem auf eine Infektion mit Tuberkulose-Bakterien reagiert. Eine Impfung soll das Immunsystem in seiner Arbeit unterstützen - doch im Fall einer Tbc-Infektion ist nicht einmal klar, wo und wann diese Hilfe am dringendsten und wirksamsten ist.

Auch wenn es also einem Stochern im Dunkeln ähnelt, haben Forscher in den vergangenen Jahren mehrere Impfstoff-Kandidaten so weit entwickelt, dass sie sich derzeit in ersten klinischen Tests beweisen müssen. Sie alle zielen darauf ab, ein Ausbrechen der Krankheit zu verhindern, nachdem sich ein Mensch bereits infiziert hat. Die meisten dieser Kandidaten verfolgen wie MVA85A die Booster-Strategie, die neben dem jeweils neuen Vakzin auch auf den bisherigen BCG-Impfstoff setzt.

Einen anderen Ansatz verfolgt der Berliner Immunologe Stefan Kaufmann. Er versucht, das bisherige BCG-Vakzin so zu verändern, dass es vom Immunsystem leichter erkannt wird - und damit besser wirkt. Zu diesem Zweck hat Kaufmann mit Kollegen ein Gen von Listerien-Keimen in den BCG-Impfstoff eingebaut. Dieses neue Vakzin, das mit am weitesten entwickelt von allen Kandidaten ist, wird derzeit ebenfalls in Südafrika an einer kleinen Gruppe gesunder Kleinkinder getestet. Die Ergebnisse sähen bislang gut aus, sagt Kaufmann. Große Studien zur Wirksamkeit stehen aber noch aus.

"Die beiden Strategien schließen sich keineswegs aus", sagt Kaufmann. "Es ist gut möglich, dass wir in Zukunft erst mit dem veränderten BCG-Vakzin impfen und anschließend mit einem der Boost-Kandidaten."

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