Studie zu Bewegungsmangel:Krank durchs Dauersitzen

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Die Deutschen sitzen zu viel - im Büro, im Auto, vor dem Fernseher. Bewegung kommt im Alltag zu kurz.

(Foto: iStock)

Im Auto zur Arbeit, im Büro stundenlang vor dem Rechner, zu Hause vor dem TV- oder Computerbildschirm - der Alltag für viele Deutsche bedeutet vor allem eines: Sie sitzen. Und wann bewegen wir uns? Auf jeden Fall viel zu wenig, zeigt eine aktuelle Studie.

Von Andrea Bannert

Sitzen macht krank - und die Deutschen sitzen viel zu viel. Zu diesem Ergebnis kommt die Bewegungsstudie der Techniker Krankenkasse (TK) "Beweg Dich, Deutschland".

Demnach sitzt der Durchschnittsdeutsche jeden Tag sieben Stunden. Jeder Vierte verbringt sogar täglich mehr als neun Stunden im Sitzen. Doch gesundheitlich geht es uns offenbar nur richtig gut, wenn wir maximal sechs Stunden in dieser Körperhaltung verbringen und uns in der übrigen Zeit ausreichend bewegen. Ob das nun während der Arbeitszeit geschieht - etwa auf dem Bau - oder in der Freizeit, ist dabei egal.

Unter jenen, die darauf keinen Wert legen, geht es fast einem Drittel gesundheitlich weniger gut oder sogar schlecht. "Besonders bedenklich finde ich, dass sich eine ganze Bevölkerungsgruppe immer weiter von der Bewegung abzukoppeln scheint", sagte der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas bei der Vorstellung der Studie, für die das Meinungsforschungsinstitut Forsa etwas mehr als 1000 Erwachsene zu ihren Bewegungsgewohnheiten befragt hat.

Die individuellen Krankengeschichten wurden zwar nicht berücksichtigt, gefragt wurde nur nach dem allgemeinen gesundheitlichen Befinden. Die Folgen des langen Sitzens beziehungsweise des Bewegungsmangels sind jedoch gemeinhin bekannt: Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Bewegungsmangel im Job

Immerhin meldet sich bei vielen Couch-Potatoes das schlechte Gewissen. Mehr als die Hälfte der Deutschen ist mit ihrem Bewegungspensum unzufrieden. Dabei sind Jüngere problembewusster als Ältere und je höher Bildung und Einkommen sind, desto kritischer sind die Befragten.

Aber was hindert uns an der Bewegung im Alltag? Die Strecken zwischen Wohnort und Arbeit oder Freizeitaktivität seien zu lang, um sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen, sagen 53 Prozent der Befragten. Als weitere Gründe werden Zeitmangel, körperliche Einschränkungen und mangelnde Motivation angegeben.

Fast jeder Zweite arbeitet im Sitzen (44 Prozent), Tendenz steigend. 2007 war es noch lediglich jeder Dritte. Und nicht einmal die Hälfte der Sitzarbeiter schafft es, sich zwischendurch regelmäßig zu bewegen.

Dabei ist das Bedürfnis groß: Zwei Drittel der Vielsitzer bedauern den Bewegungsmangel und hätten gern einen Joballtag mit mehr Körpereinsatz. Das Wohlfühlpensum liegt nach Meinung der Befragten bei mindestens einer Stunde Bewegung am Tag - die Wenigsten setzen das um.

Etwa die Hälfte der Berufstätigen sieht den Arbeitgeber in der Pflicht. Sie wünschen sich einen ergonomischen Arbeitsplatz, Gesundheitskurse im Unternehmen, einen guten Fahrradstellplatz, Duschen und Umkleideräume sowie Betriebssport. Einen Parkplatz für den Drahtesel findet man in vielen Unternehmen durchaus, bei den meisten anderen Vorstellungen klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Ein ergonomischer Arbeitsplatz ist nur in 13 Prozent der Firmen vorhanden, wünschen würden sich das aber 44 Prozent der Befragten.

Um von A nach B zu kommen, versuchen die wenigsten bewusst einen Ausgleich zu schaffen. "Nur vier von zehn Menschen sind im Alltag noch zu Fuß unterwegs", sagt Forsa-Chef Manfred Güllner. "So kommen zwei Drittel der Befragten nicht einmal auf eine Stunde Bewegung am Tag - jeden Gang zum Kopierer mit eingerechnet."

Die Mehrheit zieht Auto und Bahn dem Fahrrad oder Fußweg vor. Es gilt: so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen. Jeder Dritte nutzt das Auto auch für kurze Wege und kleine Besorgungen und entscheidet sich bei der Wahl zwischen Treppe und Aufzug für die bequemere Variante. Am bewegungsfaulsten beim Zurücklegen von Wegen im Alltag sind Eltern mit Kindern: Nur jeder Vierte bewegt sich zu Fuß oder mit dem Rad.

Bildschirm statt Bewegung

In der Freizeit rauben uns vor allem diverse Bildschirme Bewegungszeit. 3,2 Stunden verbringt der Durchschnittsdeutsche täglich vor Fernseher, Laptop, Tablet und Co. Männer zeigen hier mehr Sitzfleisch als Frauen. Sie schaffen es deutlich häufiger, sogar mehr als vier Stunden vor einem Bildschirm zu verbringen.

Sport schauen sich viele lieber im Fernsehen an, anstatt selbst aktiv zu werden. Nicht einmal jeder zweite Deutsche treibt Sport (46 Prozent). Die Mehrheit haben die Bewegungsfaulen dabei erst in den vergangenen Jahren übernommen: 2007 trieben noch 56 Prozent Sport. Frauen verbringen insgesamt mehr Zeit mit sportlicher Aktivität als Männer, gehen die Sache aber lockerer an. Die Liste der beliebtesten Sportarten wird vom Fahrradfahren angeführt, gefolgt von Fitness und Gymnastik (besonders bei älteren Menschen beliebt), Wandern, Schwimmen und Joggen. Die häufigste Ausrede für Sportvermeider ist die fehlende Motivation.

Auch im Urlaub holen die Deutschen die Bewegung kaum nach. Nicht einmal für jeden Zweiten gehören Sport und Bewegung zur schönsten Zeit des Jahres dazu; bei Berufstätigen sogar nur für jeden Dritten; von den Eltern für jeden Fünften. Aktivurlauber sind insbesondere diejenigen, die sich auch in Alltag und Beruf schon so viel wie möglich bewegen.

Baas sieht dringenden Handlungsbedarf: "Die Ergebnisse der Studie haben uns gezeigt, dass wir direkt dort ansetzen müssen, wo die Menschen ihren Alltag verbringen: in den Betrieben, in den Schulen, Kindergärten und Kommunen - sonst erreichen wir gerade diejenigen nicht, die die Unterstützung am nötigsten haben."

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