Opioide bei Schmerzen:Falsche Empfänger

Ärzte verordnen Schmerzpatienten mehr Opioide als früher. Doch Experten befürchten eine Fehlversorgung. Krebkranke erhalten offenbar nicht genügend der starken Medikamente, andere Patienten dagegen ungeeignete Präparate.

Von Christina Berndt

In Deutschland werden erheblich mehr Opioide verschrieben als noch vor 20 Jahren - und auch etwas mehr als vor zehn Jahren. Das ergibt eine aktuelle Analyse im Deutschen Ärzteblatt. Die früher unter Ärzten grassierende "Opiophobie" scheint somit überwunden zu sein. Bis etwa 1990 haben Mediziner aus Angst vor dem Suchtpotenzial der Substanzen oft sogar sterbenskranken Krebspatienten die Schmerzmittel vorenthalten, die chemisch den Inhaltsstoffen des Opiums verwandt sind. Infolge massiver Aufklärungsarbeit aber hat sich das Verschreibungsverhalten der Ärzte in Deutschland verändert. Viele Fachleute waren daher überzeugt, die Versorgung der Krebskranken mit Opioiden sei nun sichergestellt. Doch das ist nicht der Fall, wie Ingrid Schubert und Peter Ihle von der Universität Köln sowie Rainer Sabatowski vom Universitätsklinikum Dresden nun im Ärzteblatt berichten.

Die Ärzte haben Krankenkassendaten aus den Jahren 2000 bis 2010 stichprobenartig ausgewertet. Demnach stieg zwar der Anteil der Versicherten, denen mindestens einmal ein Opioid verordnet wurde, von 3,3 Prozent im Jahr 2000 auf 4,5 Prozent im Jahr 2010 an. Nur 23 Prozent dieser Rezepte gingen aber an Krebskranke.

Daher bestehe die Gefahr, dass diese weiterhin unterversorgt seien, so die Autoren der Ärzteblatt-Studie. Zunehmend werden Opioide dagegen bei chronischen Schmerzen eingesetzt. Die Patienten werden - ihrem Krankheitsbild entsprechend - oft sehr lange mit Opioiden behandelt. Dabei bekommen sie auch besonders häufig Mittel, die ihre Wirkung sehr schnell entfalten. Diese bergen aber das höchste Suchtpotenzial, warnen die Autoren. Sie befürchten eine Fehlversorgung dieser chronisch kranken Patienten.

Dem schließt sich auch der Schmerzspezialist Wolfgang Koppert von der Medizinischen Hochschule Hannover an. Opioide besäßen zweifellos "einen hohen Stellenwert" bei der Behandlung chronischer Schmerzen, bemerkt er. Es reiche aber nicht, den betroffenen Patienten einfach ein Rezept auszustellen. Eine moderne Schmerztherapie sei immer multimodal, betont Koppert. Neben Ärzten sollten auch Psychologen und Physiotherapeuten daran beteiligt sein.

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