Ebola in Westafrika:Sehnsucht nach Normalität

Ein Jahr Ebola: Vorsichtige Rückkehr zur Normalität

Der 36-jährige Samuel mit seinem zweijährigen Sohn Bishop in Westpoint in Liberia: Seine Frau war eine Krankenschwester, die sich mit Ebola infizierte und starb.

(Foto: obs)

Im Kampf gegen Ebola gibt es Zeichen der Hoffnung, aber auch immer wieder Rückschläge. In Brüssel berät eine Konferenz darüber, wie die Seuche ganz eingedämmt werden kann.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Immer donnerstags erstattet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Bericht. Es ist ein Bericht, der Woche für Woche klarmacht, dass Ebola zwar aus den Schlagzeilen verschwunden sein mag, aber nicht aus der Welt. 99 neue Infektionen meldet der jüngste Bericht. Wenn an diesem Dienstag Experten und Regierungsvertreter aus aller Welt ein Jahr nach Ausbruch der Seuche in Brüssel zu einer großen Ebola-Konferenz zusammenkommen, ist das die Zahl, die es zu interpretieren gilt.

Mahnt sie zu weiterer Wachsamkeit? Gibt sie Anlass zur Hoffnung? Die Präsidenten von Guinea, Liberia und Sierra Leone, zusammen mit der Europäischen Union und anderen Veranstaltern der Konferenz, wünschen sich vor allem Letzteres. Sie haben zum Ziel erklärt, die Zahl der Neuinfektionen bis Mitte April auf null zu bringen. Was sie sich von der Konferenz in Brüssel nun wünschen, sind Hilfszusagen weit über die Bewältigung der akuten Seuche hinaus. Es geht um Hilfe auf dem Weg zurück zur Normalität. In Liberia, wo die jüngste Statistik nur eine Neuinfektion verzeichnet, haben immerhin die Schulen wieder geöffnet.

Tatsächlich scheinen die Zahlen für sich zu sprechen. Immerhin hatte es im November noch 800 wöchentliche Neuinfektionen gegeben. Doch Vertreter der westlichen Staaten halten allzu großen Optimismus für verfrüht. "Die Sehnsucht nach Normalität ist verständlich, aber die Risiken sind nicht verschwunden", warnt der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner. Von Entwarnung könne erst die Rede sein, wenn die Zahl der Neuinfektionen einen "niedrigen zweistelligen Bereich" erreiche. Bis dahin gelte: "Ebola gibt es nach wie vor. Ebola ist nicht besiegt." An die Pharmaindustrie appelliert Lindner, wegen der abflauenden Krise nun nicht nachzulassen bei der Suche nach einem Impfstoff.

Die Pharmaindustrie müsse weiter nach einem Impfstoff forschen, fordert die Bundesregierung

Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass die internationale Gemeinschaft große Erfolge erzielt hat und Horrorszenarien verhüten konnte. Die Zahl von fast 10 000 Toten und etwa 23 800 Infizierten ist zwar bedrückend, allerdings weit entfernt von den 1,4 Millionen, die befürchtet worden waren.

Spät, aber am Ende doch effektiv ist die internationale Hilfe in Gang gekommen. Allein die EU hat zusammen mit ihren Mitgliedstaaten nach eigenen Angaben 1,1 Milliarden Euro mobilisiert. Die Bundesregierung beziffert die deutsche Hilfe auf 194 Millionen Euro. In diesem Monat wird die Bundeswehr erste freiwillige Helfer abziehen. Bisher waren 60 Helfer im Auftrag der Bundeswehr in den Ebola-Gebieten im Einsatz, um zur akuten Nothilfe beizutragen. Die Luftbrücke für den Transport von Hilfsgütern soll aber noch mindestens einen Monat aufrechterhalten werden. Bisher sind etwa 600 Tonnen an Gütern transportiert worden.

Kirchliche Helfer sehen nun die Zeit gekommen, längerfristige Hilfe auf den Weg zu bringen. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission, macht sich vor allem Sorgen um das Gesundheitswesen in den drei betroffenen Staaten. Fast 500 Ärzte und andere medizinische Mitarbeiter seien gestorben. Der Tod führender Persönlichkeiten in den Krankenhäusern habe demoralisierend gewirkt. Den Mitarbeitern müsse die Angst genommen werden. "Der Neuaufbau beginnt jetzt", sagt Schneider, die für die Diakonie Katastrophenhilfe erst kürzlich in der Region war. "Die Krankenhäuser müssen sicher gemacht werden", fordert sie. Provisorische Einrichtungen für den Umgang mit Ebola-Patienten müssten in dauerhafte umgewandelt werden, das Gesundheitswesen in Gänze funktionsfähig gemacht werden.

In diese Richtung gehen auch die Erwartungen der Regierenden in Liberia, Sierra Leone und Guinea. Sie hoffen auf Entwicklungshilfe, um die nicht nur seuchen-, sondern auch kriegsbedingt zerstörte Infrastruktur in der Region wieder aufzubauen. Hoffnungen darauf nährt auch der Titel der Brüsseler Konferenz: "Von Nothilfe zur Erholung". Allerdings warnen westliche Teilnehmer, dass es sich nicht um eine Geberkonferenz handele. Vereinzelte konkrete neue Hilfszusagen dürfte es geben, aber vorläufig kein konzertiertes Programm der internationalen Gemeinschaft.

Der frühere britische Außenminister David Miliband will die Veranstaltung nutzen, um vor allem Hilfe zur Selbsthilfe anzumahnen. "Die Epidemie ist zurückgeschlagen worden dank der Ausbildung in den lokalen Gemeinschaften", heißt es in der vorab verbreiteten Rede Milibands, der seit 2013 Präsident der in New York ansässigen Hilfsorganisation International Rescue Committee ist. Die Hilfe müsse nun fortgesetzt werden, denn es bestehe die Gefahr, dass die Welt das Interesse an Westafrika wieder verliere. Man sei in Brüssel, "um diese Tragödie zu verhindern".

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