Brustkrebs:Tod dem Tumor

Mammografie Bruskrebs

Entdeckt der Arzt bei der Mammografie eine Brustkrebs-Erkrankung ist dies kein Todesurteil.

(Foto: ddp)

Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Dank neuer Diagnosemethoden und individueller Therapien haben sich Lebensqualität und Überlebenschancen der Betroffenen verbessert.

Von Heike Nieder

Maria von Oettingen war 26 Jahre alt, als sie den Knoten in ihrer Brust ertastete. Der Arzt sagte ihr, das sei mit Sicherheit was Gutartiges - "in Ihrem Alter". Maria von Oettingen war beruhigt. Doch dann fing der Knoten an zu schmerzen, zum Beispiel wenn sie eine Umhängetasche trug und der Riemen auf die entsprechende Stelle in der rechten Brust drückte. In einem Krankenhaus ließ sie dann noch einmal einen Ultraschall und eine Magnetresonanztomografie (MRT) machen. Diagnose: Brustkrebs. Das ist jetzt drei Jahre her.

Ähnlich wie Maria von Oettingen geht es vielen Frauen in Deutschland. Mit rund 72.000 Neuerkrankungen im Jahr, so schätzt das Robert-Koch-Institut, ist Brustkrebs die häufigste Krebsart bei Frauen. Rund die Hälfte dieser Frauen ist bei der Diagnose jünger als 65 Jahre, jede zehnte sogar jünger als 45. Die Erkrankungsraten steigen. Und doch: Es gibt Hoffnung. Neue Therapien und schonendere Operationsmethoden führen dazu, dass sich die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert hat und seit etwa 20 Jahren weniger Frauen an der Krankheit sterben.

Klassischerweise gehört zur Behandlung einer Brustkrebspatientin der Therapie-Dreisatz: Operation, Bestrahlung, systemische Behandlung. Bei letzterer werden der Patientin Medikamente verabreicht, die auf den ganzen Körper wirken, wie beispielsweise eine Chemotherapie. Bereits bei der Operation gehen Ärzte heute sehr viel zurückhaltender vor als noch vor einigen Jahren. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Brustkrebs keine lokale Erkrankung ist, sondern eben eine systemische, die den ganzen Körper betrifft.

"Früher dachten wir, je radikaler wir operieren desto sicherer", sagt Brigitte Rack, Oberärztin an der Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München und Leiterin der gynäkoonkologischen Ambulanz. "Heute wissen wir, dass es bei der Behandlung eine große Rolle spielt, um was für eine Art von Tumor es sich handelt und ob sich bereits im Blut oder in anderen Organen Krebszellen befinden."

Hätte man die Erkrankung von Maria von Oettingen vor 15 Jahren diagnostiziert, hätte man ihr wahrscheinlich die ganze Brust abgenommen. Heute versuchen Ärzte, die Brust ihrer Patientin zu erhalten und nur den Tumor und das umgebende Gewebe zu entfernen. Vorteil für die Patientinnen: Form und Größe der Brust haben sich nach der OP im besten Fall kaum verändert. Das berichtet auch Maria von Oettingen: "Das einzige, was man ein Jahr nach der Operation noch von dem Eingriff gesehen hat, war die drei Zentimeter große Narbe in der Mitte der rechten Brust."

Vielen Frauen kann die Chemotherapie erspart bleiben

Anders bei Evelin Müller. Die heute 65-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, ertastete den Knoten in ihrer Brust vor 20 Jahren. Nach der Diagnose operierte man sie radikal - die Ärzte nahmen ihr die komplette linke Brust ab, "um ganz sicherzugehen". Zurück blieb eine 15 Zentimeter lange Narbe von der Achsel bis zum Brustbein. Zusätzlich entfernte man der damals 44-Jährigen 16 Lymphknoten. Das hatte weitreichende Folgen. Bis heute kann Müller den linken Arm nicht stark belasten, bis vor zwei Jahren ging sie zweimal in der Woche zur Lymphdrainage, um den Abtransport der Lymphflüssigkeit aus dem Gewebe zu unterstützen.

Maria von Oettingen blieb das erspart, denn seit wenigen Jahren ist es üblich, bei der Operation zunächst nur den sogenannten Wächterlymphknoten zu entfernen, und erst bei positivem Befund weitere Lymphknoten herauszunehmen. In vielen Kliniken ist man inzwischen sogar dazu übergegangen, in bestimmten Fällen selbst bei einem auffälligen Wächterlymphknoten nicht weiter zu operieren. "Nur ein Viertel der Patientinnen mit einem positiven Wächterlymphknoten weist weitere Lymphmetastasen auf", erklärt Brigitte Rack.

Des Weiteren begannen Ärzte vor etwa fünf Jahren, ihre Patientinnen bereits während der OP zu bestrahlen. Davor war es üblich, mit der Strahlentherapie bis nach dem Eingriff zu warten. Die Patientin wurde dann sieben Wochen lang von einem Radiologen behandelt. Ziel der Bestrahlung ist es, die Krebszellen so zu schädigen, dass sie sich nicht mehr vermehren können. Während der OP können Ärzte den Tumor direkt durch die offene Wunde gezielt bestrahlen. "Das hat den Vorteil, dass die Haut oder die umliegende Muskulatur nicht geschädigt werden", sagt Jens-Uwe Blohmer, Chefarzt am Brustzentrum City des Sankt Gertrauden-Krankenhauses in Berlin. Außerdem verkürze sich die Bestrahlungsdauer nach dem Eingriff um einige Tage. Die ausschließliche Bestrahlung während der OP wird bislang nur innerhalb von Studien mit über 50-jährigen Patientinnen angewandt. Für jüngere Frauen wird sie noch nicht empfohlen, da hierzu noch keine Daten vorliegen.

Doch nicht nur bei der Operation und der Bestrahlung gibt es Fortschritte. Vielen Frauen kann heute sogar die Chemotherapie erspart bleiben. Das steigert wesentlich die Lebensqualität der Patientinnen. Maria von Oettingen wurde über viereinhalb Monate mit einer Chemotherapie behandelt und beschreibt diese Zeit als die schlimmste während ihrer gesamten Therapie. Übelkeit, Brechreiz, körperliche Schwäche, Kribbeln in Fingern und Füßen - das waren nur einige der gängigen Nebenwirkungen einer Chemotherapie, mit denen die junge Frau zu kämpfen hatte.

Wichtig für die Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie ist die Klassifizierung des Tumors. Denn Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Inzwischen unterscheidet man zwischen unzähligen verschiedenen Tumorarten, die teilweise sehr unterschiedliche systemische Therapieansätze erfordern, wie Walter Jonat, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Kiel, berichtet.

Um herauszufinden, um was für eine Art von Tumor es sich handelt, haben Ärzte eine Reihe von Parametern entwickelt. Dazu zählen unter anderem die Größe des Krebsgeschwulstes, die Zahl der befallenen Lymphknoten, das Alter der Patientin, die Geschwindigkeit des Tumorwachstums, dessen Abhängigkeit von Hormonen sowie dem sogenannten Her2-Rezeptor, der auf etwa einem Viertel aller Brusttumore nachgewiesen werden kann. Ist letzteres der Fall, kann eine Behandlung mit biotechnologisch hergestellten Antikörpern erfolgreich sein - eine vergleichsweise neue Form der Brustkrebstherapie.

Ein Haken: Manche neuen Methoden sind teuer

Zahlreiche Parameter helfen Ärzten also vorher zu sagen, wie gut eine Behandlung wirkt (Prädiktion) und wie wahrscheinlich es ist, dass eine Patientin nach der Therapie gesund bleibt (Prognose). Grundsätzlich gilt: Wenn die Patientin anhand gewisser Parameter in eine niedrige Risikogruppe einzustufen ist und das Wachstum der Krebszellen hormonabhängig ist, reicht oft eine Hormonbehandlung aus, und auf die Chemotherapie kann verzichtet werden.

Es gibt aber Grenzfälle, und zwar dann, wenn ein hormonabhängiger Tumor noch keine Lymphknoten befallen hat, aber schnell wächst, wie Walter Jonat und Brigitte Rack erklären. Die Ärzte sind sich einig: In solchen Fällen wäre eine weitere Klassifizierung des Tumors wünschenswert. Diese sei mithilfe neuer genetischer Untersuchungen möglich, wie der sogenannten Genexpressionsanalyse.

Laut Rack würden diese labortechnischen Untersuchungen des Tumorgewebes teilweise in der klinischen Praxis bereits angewandt. "Einem Drittel der Frauen, bei denen trotz der Routineuntersuchungen die Entscheidung zu einer Chemotherapie unklar bleibt, könnte durch diese neuen Tests eine Chemotherapie erspart bleiben", mutmaßt die Ärztin. Jens-Uwe Blohmer ergänzt, dass einige internationale Fachgesellschaften die Untersuchungen sogar ausdrücklich empfehlen würden.

Walter Jonat betont aber, dass man sich auf die Ergebnisse keinesfalls ausschließlich verlassen sollte: "Die Informationen aus der Genexpressionsanalyse sind ein Zusatz zu den anderen Parametern." Einen Haken haben sie allerdings: Sie sind sehr teuer. Eine Genexpressionsanalyse kostet 2600 Euro. Blohmer erklärt, dass die Anbieter manchmal versuchen, das Geld für die Tests von den Krankenkassen zu bekommen, was ab und zu gelingt. Darauf verlassen kann man sich allerdings nicht, da das Verfahren noch nicht zum Standard in der Diagnostik gehört. Das ist abhängig vom Ausgang großer Studien, die gerade in Deutschland, Europa und in den USA laufen. "In ein bis zwei Jahren wissen wir mehr", sagt Jonat.

Eine weitere Möglichkeit, den Tumor genauer zu klassifizieren, sei die Bestimmung zirkulierender Tumorzellen aus dem Blut der Frau, sagt Brigitte Rack. Würden welche entdeckt, sei das meist ein Anzeichen dafür, dass die Patientin früher einen Rückfall erleiden werde. An der LMU läuft derzeit eine Studie, die diese Zellen untersucht, mit dem Ziel, der Patientin im Anschluss eine spezielle Therapie zu geben, die die Zellen angreift. Dazu sagt Jonat: "Das sind Forschungsbereiche. In der klinischen Praxis weltweit spielt das noch keine Rolle."

Evelin Müller und Maria von Oettingen gelten heute übrigens als geheilt. Jede freut sich auf ihre Weise. Evelin Müller feierte Ende vergangenen Jahres gleich zwei Geburtstage - ihren 65. und ihren 20. Auch Maria von Oettingen sieht einem Geburtstag entgegen: Sie erwartet im Februar ihr zweites Kind - und wird es stillen.

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