Zwangsversteigerungen:Friedhof der Häuser

Amerikaner verfolgen im Internet, wo Eigenheime zwangsversteigert werden - ein neues Hobby in der Krise.

Hannah Wilhelm

Es ist so etwas wie das Hobby der Krisenzeit geworden - und zwar ein makabres. In Amerika schaut man dieser Tage gerne mal auf Websites wie foreclosure.com, realtytrac.com oder hotpads.com. Die Internetseiten zeigen detailliert auf Landkarten, wo wie viele Häuser gerade zwangsversteigert werden. Hier informiert sich, wer günstig ein Haus kaufen will. Oder wer einfach nur sehen möchte, wie es um das Haus der Nachbarn steht. Müssen die Smiths schon verkaufen? Recht so. Oder: ach, die Armen.

Zwangsversteigerungen: Je röter eine Region, desto schlimmer: Dunkelrot heißt, dass bei einem von 150 Häusern gerade die Versteigerung droht.

Je röter eine Region, desto schlimmer: Dunkelrot heißt, dass bei einem von 150 Häusern gerade die Versteigerung droht.

(Foto: Grafik: SZ; Quelle: hotpads.com)

Die Zwangsversteigerungen waren eines der ersten Symptome der Krise. Hier fing es an, bei irgendeinem Haus in irgendeinem Vorort. Wo jemand in guten Zeiten einen Hauskredit bekommen hat - ohne Einkommensnachweis, ohne Garantien, ohne Eigenkapital. Einen Kredit, bei dem er zunächst nur Zinsen zahlen musste und keine Tilgung. Alles war möglich im Boom vergangener Zeiten.

Elektronische Friedhöfe

Und dieser Jemand konnte irgendwann sogar die Zinsen nicht mehr zahlen, hatte seinen Job verloren oder etwas Ähnliches war geschehen. Die Preise der Immobilien sanken. Und plötzlich war die Hypothek höher als der aktuelle Wert des Hauses. Dann kam Post: vorbei, Schluss, ein banaler Zettel an der Tür: Dieses Haus wird zwangsversteigert. Aus der Traum vom Eigenheim, aus der Traum von einer Nation, die dachte, dauerhaft auf Kredit leben zu können.

Die Internetseiten sind nun zu den elektronischen Friedhöfen der Immobilienkrise geworden. Anstatt Grabsteinen kleine Häuschen auf bunten Karten. Je röter eine Region, desto schlimmer: Dunkelrot heißt, dass bei einem von 150 Häusern gerade die Versteigerung droht. Jedes Häuschen ein Umzug, viele Schicksale.

Friedhof der Häuser

Die Zahl der Verpfändungen von Privathäusern ist in den USA im vergangenen Jahr um 81 Prozent gestiegen. Sie ist auf einem Rekordhoch. Einer von 54 Haushalten und damit rund 1,8 Prozent aller US-Wohnungen und -Häuser hätten im Jahr 2008 an Gläubiger übergeben werden müssen, hat das kalifornische Unternehmen Realtytrac ausgerechnet. Und es soll noch schlimmer kommen: Moodys Wirtschaftsdienst Economy.Com geht für 2009 von einer weiteren Steigerung der Zwangsvollstreckungen um 18 Prozent aus. Erholung sei erst wieder für das Jahr 2011 abzusehen.

Es trifft die Regionen unterschiedlich stark. Das ist schon an der Karte von New York City und einem Teil des Bundesstaats New Jersey (Grafik) zu erkennen: New Jersey ist besonders betroffen. Im vergangenen Jahr rangierte der viertkleinste US-Bundesstaat zeitweise auf Rang acht in Sachen Zwangsversteigerungen. Nun ist es Rang 23 - schlimm genug. New York, von vielen als Zentrum der Krise wahrgenommen, liegt dagegen mit Platz 39 relativ weit hinten.

Die Gründe für das Rot der Gebiete New Jerseys und das Blau Manhattans - sie zeigen, wen die Immobilienkrise trifft: In diesem Teil von New Jersey, in Newark und Jersey City, wohnen vor allem die untere Mittelschicht und die Unterschicht. Viele, die sich ein Leben in Manhattan nicht leisten können. Gerade sie haben sich mit Krediten überhoben.

Friedhof der Häuser

In Manhattan sieht es etwas anders aus: Dort konnten sich die unteren Schichten in der Regel kein Wohneigentum leisten, selbst nicht zu Boomzeiten. Also gibt es nun auch weniger Probleme mit nicht gezahlten Krediten. Und: Wer hier ein Problem hat, sein Haus oder seine Wohnung zu halten, kann einer Zwangsversteigerung zuvorkommen und verkaufen - denn im Gegensatz zu anderen Orten gibt es in Manhattan noch Käufer, und die Immobilienpreise sind nicht so tief im Keller. Auch das hält die Zahl der Versteigerungen noch verhältnismäßig gering.

Die tristen Vorstädte

Am ehesten macht sich die Krise in der Bronx, auf Staten Island und in Queens bemerkbar. Dort leben viele Hispanics und Afro-Amerikaner - ihnen wurden in den Boomjahren bevorzugt Kredite angedreht, die sie nun oft nicht mehr bedienen können.

Die meisten Versteigerungen gibt es in Nevada, Florida, Arizona und Kalifornien. Schuld sind vor allem die Verhältnisse in Städten wie Las Vegas und Miami: Dort wurde im Boom zuviel gebaut und finanziert. Auf den Internet-Friedhöfen bietet sich ein traurig-rotes Bild: Grabstein über Grabstein. Viele Schicksale, viele Leben.

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