Zinspolitik:"Der Yen ist ein größeres Problem als der Dollar"

Die Wirtschaftsprofessorin Noriko Hama plädiert für schnelle Zinsanpassungen in Japan, denn in der Nullzinspolitik sieht sie die Ursache für die Hypothekenkrise.

Ein Interview von Christoph Neidhart

Noriko Hama macht die Niedrigzinspolitik in ihrem Land verantwortlich für die Fehlentwicklungen am US-Hypothekenmarkt. Alles andere als eine zügige Anpassung der Leitsätze hält die renommierte Wirtschaftsprofessorin an der Doshisha-Universität in Kyoto für feige. Hama berät diverse Ministerien in Japan.

SZ: Frau Hama, die größte japanische Bank, Mitsubishi-UFJ, hat gerade angekündigt, bis zu zwei Milliarden Euro im Zuge der allgemeinen Krise an Kreditmärkten zu verlieren. Wie gefährlich sind die Auswirkungen der US-Hypothekenkrise für die japanische Wirtschaft?

Hama: Das Fiasko hat vor allem gezeigt, wie gefährlich die Globalisierung der Finanzmärkte sein kann. Es ist gut, dass es passiert ist. Es hat den Leuten vorgeführt, was schiefgehen kann, wenn man die Geschäfte übertreibt. Der Yen-Carry-Trade hatte schon vor Ausbruch der Hypothekenkrise enorme Umfänge erreicht, das waren Warnsignale.

SZ: Beim Carry-Trade nehmen Finanzinstitute in Japan billige Kredite auf. Und legen das Geld anderswo profitabler an.

Hama: Daran haben sich jüngst auch jene Leute beteiligt, die die Finanzpresse Ms. Watanabes nennt, also japanische Kleinanleger.

SZ: Aber primär ist der Carry-Trade eine amerikanische Erfindung. Ohnehin drängen die USA auf eine Globalisierung der Finanzmärkte, während sie bei der realen Wirtschaft eher bremsen. Asien dagegen möchte eher den Handel und die Produktion globalisieren.

Hama: Wall Street versus Main Street. Doch es läuft nicht alles so, wie die Amerikaner wollen, das hat die Hypothekenkrise deutlich gezeigt.

SZ: In den vergangenen Monaten litt der Yen-Kurs deutlich unter der Auflösung von Carry-Trades. Warum haben diese Geschäfte überhaupt einen so enormen Umfang angenommen?

"Das billige Geld kam aus Japan"

Hama: Weil die Zinsen in Japan so lange so tief geblieben sind. Dadurch sickerte viel Geld aus Japan - ziemlich überall hin, statt hier in Japan nutzbringend angelegt zu werden. Dieses Geld hat die Hypothekenkrise erst möglich gemacht. Wie sehr amerikanische Firmen auch Investitionsinstrumente erfunden haben mögen, das billige Geld dazu kam aus Japan. Dafür muss Japan die Verantwortung übernehmen.

SZ: Ist das ein Argument für eine strengere Regulierung? Wenn Japan den Yen abschirmen würde, hätte es dann mit der Tiefstzins-Politik seine Wirtschaft ohne diese Folgen ankurbeln können?

Hama: Sie stellen das Argument auf den Kopf. Die Finanzkraft Japans ist zu groß für eine isolationistische Politik. Das wäre nicht gut für Japan und nicht gut für die Welt. Japan muss sich schlicht besser auf die Globalisierung der Finanzmärkte einstellen.

SZ: Dennoch ist es den Amerikanern bei dieser Krise gelungen, die Probleme, die sie geschaffen haben, zu exportieren. Deutsche Banken tragen die Folgen, China zahlt und auch Japan.

Hama: Die Amerikaner haben zwar ihre Probleme abgeschoben, aber in diesem Falle ist der Yen ein größeres Problem als der Dollar.

SZ: Inwiefern?

Hama: Carry-Trades mit dem Yen konnten sich doch nur in diesem Umfang entwickeln, weil Japan mit seinen Tiefstzinsen diese riskanten Investitionsinstrumente finanziert hat.

Lesen Sie weiter, warum sich die USA an Illusionen klammern

"Der Yen ist ein größeres Problem als der Dollar"

SZ: Solange der Dollar Leitwährung ist, können die USA also weiter ihre Probleme exportieren?

Hama: Was derzeit passiert, ist typisch für eine Währung, die in großem Umfang zirkuliert, obwohl die Volkswirtschaft dahinter die Weltwirtschaft nicht mehr dominiert. Solange das, was für das führende Land gut ist, auch der ganzen Weltwirtschaft nützt, eignet sich seine Währung als Leitwährung. Das war so während der Pax Britannica und während der Pax Americana. Seit Anfang der 70er Jahre ist das nicht mehr so.

SZ: Trotzdem hat der Dollar bislang seine Bedeutung weitgehend behalten, auch wenn der Kurs zuletzt deutlich einbrach. Wie erklären Sie sich das ?

"Vertrauen in den Dollar schwindet"

Hama: Die Amerikaner und zum Teil auch die übrige Welt klammern sich an diese Illusion. Die Leute halten ihre Dollars mehr oder weniger freiwillig, aber das Vertrauen in den Dollar schwindet. Das Festhalten am Dollar ist eher eine Frage des "too big to fail". Wenn der Dollar fällt, sinkt auch das Vermögen derer, die ihn halten. Niemand will deshalb in dieser Situation sagen, der Kaiser habe keine Kleider. Wenn die Probleme offen angesprochen werden, kann das ganze System einbrechen. Seit der Hypothekenkrise zeigt sich, wie gefährlich das ist. Aber wie schon gesagt, die Ursache dafür lieferten die Niedrigzinsen in Japan.

SZ: Gab es denn Alternativen zur Nullzinspolitik in Japan ?

Hama: Vorübergehend brauchte Japan die Tiefstzinsen, aber sechs Jahre waren übertrieben. Von außen gesehen hat das nur Probleme verursacht.

SZ: Gerade hat die Notenbank wiederholt signalisiert, den Leitzins von 0,5 Prozent bald auf Normalmaß anzuheben.

Hama: Das muss sie auch. Solch extreme Maßnahmen darf man nur zeitlich befristet einsetzen, sonst kommt es zu Verwerfungen. Außerdem wäre es feige, jetzt nicht zu reagieren. Feige Politik schafft keine guten Lösungen.

SZ: Nach der Asienkrise 1997/98 schlug Japan die Schaffung eines asiatischen Währungsfonds vor, zum Leidwesen der Amerikaner. Es ging auch um einem Acu nach dem Vorbild des Euro-Vorläufers Ecu. Was ist daraus geworden?

Hama: Von einer Währungsintegration in Asien zu reden, ist verfrüht. Asien ist sehr heterogen. Es gibt multilaterale Abkommen, mit denen sich Asiens Zentralbanken im Falle einer Währungskrise unter die Arme greifen können. Sie binden auch China ein und zwingen die japanische Notenbank, die externen Folgen ihrer Geldmarktpolitik zu bedenken. Darin einen Schritt zu einer Währung zu sehen, ist ein zu großer Sprung.

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