Zinsen für säumige Steuerzahler:Sechs Prozent auf alles

Der Staat geißelt die Zinspolitik der Banken - langt aber selbst kräftig zu. Wie die Bundesregierung jetzt offenbart, verdiente der Fiskus im vergangenen Jahr 1,29 Milliarden Euro mit Überziehungszinsen. Fair sieht anders aus, sagen Kritiker.

Von Guido Bohsem

Heiko Maas will durchgreifen. Kürzlich kündigte der Justizminister von der SPD an, er wolle die Banken per Gesetz dazu zwingen, die Höhe ihrer Dispozinsen zu veröffentlichen. Verbraucher sollen künftig gewarnt werden, bevor plötzlich Zinsbelastungen von bis zu 14 Prozent auf sie zukommen, wenn sie ihr Konto überziehen. Zumal in Zeiten, da die Institute ja umgekehrt für die Spareinlagen ihrer Kunden nur mickrige Beträge zahlen.

Nur wirkt Maas' Initiative weniger überzeugend, wenn man weiß, dass auch der Staat in Sachen Zinsen mit zweierlei Maß misst. Denn was der Staat mit seinen säumigen Steuerzahlern macht, kommt dem Dispo-Gebaren der Banken durchaus nahe.

4,9 Milliarden Euro flossen in die Kassen vom Bund

Sechs Prozent Strafzinsen verlangt der Fiskus, wenn das Geld nicht rechtzeitig bei ihm eingeht. Und das ist eine lukrative Einnahmequelle für den Staat: Gut 4,9 Milliarden Euro flossen aufgrund solcher üppigen Zinsforderungen seit dem Finanzkrisenjahr 2009 in die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linken-Finanzpolitikers Richard Pitterle hervor, die der SZ vorliegt.

Allein im vergangenen Jahr kassierte der Staat 1,29 Milliarden Euro, größtenteils durch Nachforderungen aus der Körperschaftsteuer. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 waren es nur 791 Millionen. Bereits davon abgezogen sind die Zinsen, die der Fiskus auszahlen musste, weil er selbst zum säumigen Zahler wurde. Denn so fair ist der Staat immerhin - er zahlt ebenfalls sechs Prozent, wenn er dem Steuerzahler zu lange etwas schuldig bleibt. Das passiert allerdings deutlich seltener.

Wer dem Bund Geld leiht, kann von solchen Zinssätzen träumen

Umgekehrt kann, wer dem Bund Geld leiht, von solchen Zinssätzen nur träumen. Nach Angaben der Finanzagentur gilt für einen zweijährigen Schatzbrief derzeit eine Festverzinsung von 0,0 Prozent. Selbst wer sein Geld für ganze zehn Jahre dem Bund überlässt, kann aus der festverzinslichen Bundesanleihe nur mit einem Prozent Rendite im Jahr rechnen. Ist das also nicht dieselbe Methode, die man von den Banken kennt?

Im Bundesfinanzministerium mag man den unschmeichelhaften Vergleich nicht gelten lassen: Der staatliche Zinssatz orientiere sich nicht nur am mickrigen Anlagezinssatz. Sondern auch an Festzinskrediten und - Heiko Maas dürfte verblüfft sein - Dispokrediten, die höher verzinst würden, argumentiert der parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU). Der feste Zinssatz von sechs Prozent habe sich bewährt, zumal der Staat auf Zinseszinsen verzichte. Würde man einen schwankenden Zinssatz einführen, ergäbe sich ein zusätzlicher Aufwand, weil man dann immer ermitteln müsste, welcher Zinssatz für welchen Zeitraum galt.

Der Berliner Steuerprofessor Frank Hechtner hingegen stellt infrage, ob die staatlichen sechs Prozent angesichts des niedrigen Zinsniveaus am Markt noch angemessen seien. "Am festen Zinssatz sollte festgehalten werden, die Höhe aber nach unten angepasst werden", sagte er. Auch der Linken-Politiker Pitterle zweifelt, ob dieser Ansatz des Staates noch fair sei. Die Regierung ignoriere die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs. "Dieser hat die derzeitige Zinshöhe ausdrücklich nur bis zum März 2011 geprüft und für rechtens erklärt."

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