Europäische Zentralbank:Sparer fürchten sich vor EZB-Entscheidung

Die Europäische Zentralbank will sich gegen die Krise stemmen. Sie senkt wohl erneut die Zinsen und möchte den Banken länger Geld leihen als bisher. Doch Experten erwarten, dass die EZB das Vermögen der Sparer schleichend entwertet.

Helga Einecke

Die Europäische Zentralbank (EZB) kehrt offenbar zum Krisenmodus zurück. Sie dürfte den Krisengipfel der Euroländer aktiv unterstützen und wird nach der Ansicht der meisten Notenbankbeobachter an diesem Donnerstag ihren Leitzins von 1,25 Prozent auf 1,0 Prozent senken. Es wäre der zweite kleine Zinsschritt nach unten seit November.

Vorschau: Sitzung EZB-Rat

EZB-Chef Mario Draghi senkt wohl erneut den Leitzins.

(Foto: dapd)

Um 13.45 Uhr ist es soweit: Alle Börsenhändler, Bankangestellten und Volkswirte starren auf ihre Bildschirme. Auf die Minute genau verkündet die EZB auf elektronischem Weg ihren Zinsschritt, dann reagieren die Börsen mit Kursbewegungen bei Aktien und Wechselkurs. Um 14.30 Uhr wird EZB-Chef Mario Draghi den Grund für die Lockerung der Geldpolitik nennen. Es sind vor allem die schlechten konjunkturellen Aussichten, die diese Rückkehr zu Mini-Zinsen angeraten sein lassen. Denn der Euro-Zone wird bestenfalls ein Null-Wachstum im nächsten Jahr zugetraut. Draghi sprach bereits von einer "milden Rezession".

Er wird die schlechteren Wirtschaftsaussichten mit neuen Wachstums- und Inflationszahlen für 2012 untermauern. Wegen der Eurokrise ist die letzte EZB-Prognose von einem Wachstum von 1,3 Prozent längst Makulatur. Die erwartete Inflationsrate von 1,7 Prozent könnte für 2012 aber noch Bestand haben.

Für Geldanleger brechen mit der ultra-expansiven Geldpolitik harte Zeiten an. "Für den Sparer werden Anlagen nach Abzug von Steuern und Inflationsrate ein negatives Ergebnis erzielen, das Vermögen wird schleichend entwertet", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Sollte sich die Konjunktur stärker eintrüben, sieht er den Leitzins auch bei 0,5 Prozent.

Die sinkenden Zinsen dürften nicht der einzige Beitrag der Notenbank zur Krisenbewältigung sein. Diskutiert werden im EZB-Rat Finanzierungshilfen für die Banken über eine Laufzeit von einem, zwei, sogar drei Jahren. Normalerweise leihen sich die Kreditinstitute entweder eine Woche lang oder für drei Monate Geld bei der Zentralbank und hinterlegen dafür Wertpapiere.

Seit Oktober aber hat die EZB ihre Geldschleusen wieder so weit geöffnet wie schon einmal nach der Pleite der US-Bank Lehman. Sie gibt den Banken inzwischen Geld über Zeiträume bis zu einem Jahr und damit mehr Sicherheit zur Finanzierung. Sie hat ein neues Programm zum Aufkauf von Pfandbriefen und anderen gedeckten Schuldverschreibungen aufgelegt, um diesen Markt flüssig zu halten. Sie kauft außerdem Woche für Woche Staatsanleihen in Milliardenhöhe. Nicht zuletzt können sich die Banken bei ihr auch in Dollar refinanzieren, was rege in Anspruch genommen wird.

Mit diesem Bündel an Maßnahmen will die EZB nur eines erreichen: der Geldfluss in der Euro-Zone soll nicht stocken, der Handel mit Wertpapieren nicht zum Erliegen kommen. Die Banken trauen sich untereinander nicht. Sie horten Geld, legen es lieber zu niedrigen Zinsen bei der EZB an als es einem Konkurrenten weiter zu reichen. Auch am Kapitalmarkt wird es immer schwerer, Geld für Banken aufzutreiben. Nach Berechnungen der Deutschen Bank werden 2012 in Europa Bankverbindlichkeiten in Höhe von 744 Milliarden Euro fällig, allein 268 Milliarden Euro im ersten Quartal.

Wo Draghi stur bleibt

Bei dem häufig geforderten unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen stellt EZB-Präsident Draghi auf stur. Die Käufe seien begrenzt, vorübergehend und für die Geldpolitik nötig, lautet seine Antwort. Vor dem Europaparlament in Brüssel forderte er eine "neue Übereinkunft in Fiskalfragen" mit Blick auf den Gipfel. "Weitere Elemente könnten folgen, aber die Abfolge ist entscheidend", sagte er. Daraus folgern die Notenbankbeobachter, dass die EZB sehr wohl zu weiteren Zugeständnissen bereit sei, aber erst wenn die Politik geliefert habe.

Inzwischen sind die Staatsanleihekäufe der EZB auf über 200 Milliarden Euro angeschwollen. Vor allem von der Bundesbank kommen Bedenken, ob diese Käufe überhaupt den gewünschten Effekt haben, nämlich den Markt für bestimmte Staatsanleihen zu beleben. Sollten sich keine Käufer für die Papiere sehr hoch verschuldeter Länder finden, dann landen alle betroffenen Anleihen bei der EZB.

Bisher dürften sich Schuldscheine von Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien im Eurotower stapeln. Umstritten ist, ob die Notenbank mit dem Erwerb von Staatspapieren Regierungen durch die Hintertür finanziert und so deren Reformwillen unterläuft. Befürworter massiver Käufe glauben, die EZB könne so die Krise auf einen Schlag lösen.

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