Wolfowitz intern unter Druck:Berlins langer Arm in die Weltbank

Die Bundesregierung soll Eckhard Deutscher, dem deutschen Direktor der Weltbank, Weisung erteilt haben, den Rücktritt des Präsidenten Wolfowitz aktiv voranzutreiben. Deutscher dementiert zwar, doch Zweifel bleiben.

Peter Martens

Seit Wochen beherrscht Paul Wolfowitz die Schlagzeilen. Nach einer Anschuldigung der Günstlingswirtschaft befindet sich der Präsident der Weltbank in einem permanenten Abwehrkampf, und die Wirtschaftspresse der Welt liefert fast täglich neue Details.

Der jüngste Hinweis in dieser Angelegenheit istvor allem aus deutscher Sicht brisant: Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete am Mittwoch, die deutsche Regierung betreibe aktiv die Absetzung von Wolfowitz. Die auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierte US-Agentur bezieht sich dabei auf einen nicht namentlich genannten EU-Politiker.

Demnach soll Wolfowitz den Posten geräumt haben, bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juni die Staatschefs der führenden Industrienationen und Russlands zum G8-Gipfel in Heiligendamm begrüßt.

Bekanntlich will die Kanzlerin gezielt das Thema Entwicklungshilfe für Afrika auf die G8-Agenda setzen. Da passt ein Weltbankpräsident schlecht ins Bild, der vom Untersuchungsausschuss der eigenen Behörde soeben der Vorteilnahme beschuldigt wurde. Schließlich ist die Weltbank die weltweit größte Institution zur Bekämpfung der Armut.

Der Afrika-Experte Denis Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik kann sich durchaus vorstellen, dass eine solche Glaubwürdigkeitsproblematik derzeit gegeben sein könnte: "In diesem Skandal verliert die Weltbank an Autoriät gegenüber den Afrika-Staaten, sofern sie diese Autorität jemals besessen hat, sagte Tull zu sueddeutsche.de.

Wolfowitz hatte nach seinem Wechsel zur Weltbank 2005 seiner ebenfalls bei der Organisation tätigen Freundin Shaha Riza einen deutlich höher bezahlten Posten mit einer automatischen jährlichen Gehaltserhöhung beschafft.

Nachdem das bekannt wurde, hören die Rücktrittsforderungen nicht auf. Doch Wolfowitz bezeichnete die Anschuldigungen immer wieder als Schmutzkampagne und lehnte seinen Rücktritt entschieden ab.

Untersuchungsausschuss hält Wolfowitz für schuldig

Nun sollte ein interner Untersuchungsausschuss der Weltbank die Angelegenheit klären. Noch bevor der Ausschuss am Montag seinen Bericht vorgelegt hatte, trat einer von Wolfowitz' engsten Beratern, Kevin Kellems, zurück.

Kellems hatte seinen Chef zunächst entschieden verteidigt. Doch später war von dem Kommunikationsstrategen immer weniger zu hören. Angesichts der gegenwärtigen Krise könne er sein Amt nicht mehr effektiv genug ausüben, begründete Kellems seinen Rücktritt.

Das Ergebnis der Untersuchungen war eindeutig: Das Gremium hält Wolfowitz für schuldig. Er habe sich in einen Interessensgrundsatz begeben und gegen ethische Regeln des Unternehmens verstoßen, befand das Gremium. Wolfowitz bekam eine Frist von 48 Stunden, um sich dazu zu äußern. Nachdem sein Anwalt dagegen protestierte, wurde diese Frist bis zum kommenden Freitag verlängert.

Stimmung machen gegen den Chef

Der Bericht des Untersuchungsausschusses enthält allerdings keine Empfehlung über das weitere Vorgehen. Für diesen Freitag wird daher auch ein Treffen des 24-köpfigen Direktoriums der Weltbank erwartet, in dem über die Zukunft des Präsidenten beraten werden soll.

Und just vor diesem Termin meldete nun Bloomberg, die Regierung Deutschlands habe Weisung erteilt, im Direktorium der Weltbank Stimmung gegen Wolfowitz zu machen.

Gleichsam als verlängerter Arm des Kanzleramts soll dabei Eckhard Deutscher fungieren. Deutscher ist Vorsitzender des Direktoriums und repräsentiert als Vertreter der Bundesrepublik das drittgrößte Mitgliedsland der Weltbank nach den USA und Japan.

Er habe Weisung aus Berlin, innerhalb des Direktoriums auf einen Rücktritt Wolfowitz hinzuuwirken, schreibt die US-Nachrichtenagentur. Als Quelle dient ihr ein hoher EU-Politiker, der seine Äußerung nur unter der Bedingung abgab, anonym zu bleiben.

Berlins langer Arm in die Weltbank

Unmutsäußerungen an die Adresse des amtierenden Weltbankchefs sind an sich nichts Neues. Bereits mehrfach haben Europäer ihr Mißfallen an den Vorgängen in Washington bekundet.

Ernsthafte Zweifel aus der EU

So erklärte jüngst Belgiens Finanzminister Didier Reynders in Brüssel, es sei "unmöglich, in der ganzen Welt herumzureisen und gute Regierungsführung zu predigen, wenn die Weltbank selbst nicht gut geführt ist." Die Weltbank brauche einen Präsidenten mit einem guten Ruf, befand auch sein niederländischer Kollege Wouter Bos. An der Integrität von Wolfowitz habe er "ernsthafte Zweifel".

Und die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul habe unlängst gesagt, sie sei "sehr besorgt" über die Glaubwürdigkeit der Weltbank, berichtet die Staatssekretärin des Ressorts, Karin Kortmann. Die Ministerin habe dem umstrittenen Weltbank-Chef gegenüber betont, es sei das beste für die Organisation, wenn er sich freiwillig zurückziehe.

Dass die Bundesregierung einen Rücktritt des Weltbankchefs wünscht, ist in solche Anmerkungen durchaus hineinzuinterpretieren. Brisant wird die Nachricht durch die geschilderte Art der Einflußnahme: Von innen direkt auf ein Mitglied des Direktoriums und auf den Entscheidungsprozess der Weltbank.

Sollte das stimmen, wäre es ein Affront gegen die USA. Schließlich ist Wolfowitz nicht nur ein der Bush-Regierung nahestehender Politiker: Er gilt als Architekt des Irakkriegs und war bis 2005 Vize-Verteidigungsminister, bevor ihn George W. Bush zur Weltbank abkommandierte.

Der Deal der Europäer

Er repräsentiert auf diesem Posten auch den Einfluß Amerikas in einem Mächtegleichgewicht zwischen Europa und den USA. Das Land ist größter und einflussreichster Anteilseigner der Weltbank.

Dazu gilt es als ungeschriebenes Gesetz, dass die weltweit wichtigsten Finanzinsitutionen IWF und Weltbank jeweils von einem Europäer und einem Amerikaner besetzt werden.

Innerhalb dieses Systems hat die Affäre Wolfowitz zunehmend einen verdeckten Machtkampf ausgelöst: Europäer stellen die Tradition zunehmend in Frage. Wie die New York Times berichtet, bieten jetzt führende Regierungen der EU-Länder den USA einen "Handel" an: Wenn Wolfowitz zurücktritt, wollen sie weiterhin akzeptieren, dass die US-Regierung den Weltbank-Chef auswählt.

Doch das wäre eine gütliche Einigung. Eine Weisung der deutschen Regierung an Weltbank-Direktor Eckhard Deutscher, innerhalb des Gremiums gegen Wolfowitz zu werben, wäre hingegen ein offener Angriff von Angela Merkel auf die Bush-Regierung.

Selbst entscheiden

Gegenüber Bloomberg verweigerte Eckhard Deutscher jegliche Stellungnahme in Bezug auf eine mögliche Weisung aus Berlin. Auf Anfrage von sueddeutsche.de verwahrte er sich allerdings klar und deutlich gegen den Verdacht, entsprechende Order aus Berlin erhalten zu haben.

"Ich will sicherstellen, dass ich von der Regierung Deutschlands keine Anweisung erhalten habe, auf eine Amtsenthebung von Paul Wolfowitz als Präsident der Weltbank hinzuuarbeiten. Auch wurde ich nicht angewiesen, Stimmung gegen Herrn Wolfowitz zu machen", sagte Deutscher.

Dann fügt Deutschlands wichtigster Repräsentant bei der Weltbank aber hinzu, was ihm in dieser Frage offensichtlich wirklich wichtig erscheint: "Für mich hat oberste Priorität, dass die moralische Autorität und die finanzielle Stabilität der Weltbank nicht beschädigt werden. Herr Wolfowitz muss selbst entscheiden, ob er immer noch die Glaubwürdigkeit besitzt, die Positionen der Weltbank zu repräsentieren."

Wie eine entschiedene Stellungnahme für seinen Vorgesetzten klingt das nicht.

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